Die Verteidigungsausschussvorsitzende hat kürzlich Ministerin Lambrecht nach Mali und Niger begleitet – Hauptthema der Koalition ist jedoch die Ukraine. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses fordert vom Kanzler erst schnelle Militärhilfe für die Ukraine und danach eine umfassende Erklärung seines Tuns – die Regierungskommunikation zur Ukraine sei bisher „überschaubar“.

Frau Strack-Zimmermann, wie würden Sie es eigentlich nennen, wenn führende Ampelpolitiker dem eigenen Regierungschef Zaudern vorwerfen?

Als sogenannten Koalitionskrach, auf den Sie anspielen, bezeichne ich es jedenfalls nicht. Wir sind nach kurzer Zeit mit dem Schlimmsten konfrontiert, was der Politik, was Staaten widerfahren kann, nämlich einem Krieg. Dass es da Diskussionsbedarf zum weiteren Vorgehen gibt, empfinde ich als normal. Unterschiedliche Sichtweisen dazu hätte es in jeder Koalition gegeben. Daher erlaube ich mir auch, offen und ehrlich zu sagen, dass der Kanzler meiner Meinung nach in der zentralen Frage, Waffen an die Ukraine zu liefern, zaudert.

Schon werden Sie mit dem Grünen Anton Hofreiter und dem Sozialdemokraten Michael Roth im Netz teilweise als „die aufrechten drei“ bezeichnet, da Sie nach Ihrer Ukraine-Reise so klar mehr Militärhilfe fordern. Stehen Sie damit wirklich allein in der Ampel?

Wir waren als Vorsitzende dreier Bundestagsausschüsse dort und treten stellvertretend für viele Kolleginnen und Kollegen im Parlament auf, die auf eine schnelle Entscheidung drängen.

Die Bundesregierung hat nun eine große Aufstockung der Gelder angekündigt, mit denen die Ukraine Waffen kaufen kann. War das schon die Entscheidung, auf die Sie drängen?

Mehr Geld ist noch nicht die Lösung, aber ein sehr wichtiger Schritt, weil das für Kiew die Voraussetzung für den Kauf schwerer Waffen ist. Olaf Scholz spürt natürlich, dass Druck im Kessel ist. Um Russlands Offensive zurückschlagen zu können, braucht die Ukraine aber umgehend mehr Waffen vor Ort. In Absprache mit Kiew muss nun also sehr schnell etwas passieren.

Auch die USA haben zuletzt „nur“ mehr Geld für ukrainische Waffenkäufe angekündigt, nicht konkrete Panzerlieferungen.

Jenseits dessen, dass die USA schon sehr viel geliefert haben, ist das auch eine Frage der Kommunikation. Präsident Biden hat neben der Ankündigung weiterer Lieferungen von militärischem Material angesichts des russischen Angriffs von Völkermord gesprochen. Wir haben auch Material geliefert, reden aber nicht im Detail darüber – so überlässt das Kanzleramt anderen die Interpretation und erzeugt damit ein Bild eines zögerliches Landes.

Sie gehörten selbst zu denjenigen, die davor warnten, dass die nötigen Ausbilder an Panzern als Kriegsbeteiligung der Bundeswehr gesehen werden könnten. Denken Sie nun anders?

Es bleibt dabei, dass kein deutscher Soldat auf ukrainisches Gebiet einen Fuß setzt oder gar kämpft. Aber wir müssten eigentlich schon seit Wochen klären, wie wir im Rahmen des Völkerrechts mehr für die Ukraine tun können. Die Ukrainer wünschen sich allermodernstes Gerät, unter anderem den Schützenpanzer Marder. Wir haben zwar früh erklärt, dass die Bundeswehr nichts liefern kann, was derzeit in Litauen stationiert ist. Aber auch keine Alternativen angeboten. Meine Kollegen und ich haben sehr früh vorgeschlagen, dass es Sinn machen würde, wenn unsere osteuropäischen Verbündeten ihr Gerät, welches noch aus sowjetischen Zeiten stammt, der Ukraine liefern. Mit dem sind die ukrainischen Soldaten vertraut – und wir könnten es den Nato-Partnern mithilfe der Industrie durch unsere komplexeren Systeme, an denen man ausgebildet werden muss, ersetzen. Dieser Vorschlag wurde, soweit ich es weiß, nicht einmal geprüft.

Was also müsste Olaf Scholz jetzt tun?

Erst einmal muss er blitzschnell mit der Ukraine die nötigen Absprachen treffen. Schön wäre es, er würde dann sein Schweigen brechen und erklären, was er eigentlich will. Entscheidend sind allerdings angesichts der kurz bevorstehenden russischen Offensive in der Ostukraine jetzt Taten, weniger Worte. Ich bedauere, dass die Kommunikation gegenüber der Ukraine, gegenüber unseren Verbündeten, aber auch ins eigene Land hinein überschaubar ist. Olaf Scholz hat eine beeindruckende Rede im Bundestag gehalten. Das „In-die-Hände-Spucken“ im Anschluss daran ist bislang aber leider ausgeblieben.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Liberale
 Die 64-Jährige war für die FDP lange Jahre in der Düsseldorfer Kommunalpolitik aktiv. 2017 zog sie für ihre Partei, deren Bundesvize sie zeitweise war, in den Bundestag ein.

Verteidigungsexpertin
 In ihrer ersten Wahlperiode machte sie sich als verteidigungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion schnell einen Namen. Nun steht sie dem Ausschuss vor.