Till O. Scheurle und Dirk Wein (rechts) sind die Organisatoren des queeren Festivals „Lovepop in & im Fluss“ vom 26. bis 28. August auf Fridas Pier. Foto: /zweiteam

Boy George hat er nach Stuttgart geholt, bei „Men-Only-Partys“ Darkrooms verdunkelt und mit schräger Deko groß gefeiert: Dirk Wein, queerer Veranstalter seit 1988, erinnert sich an sein Auf und Ab im Partyleben. Jetzt geht’s mit „Lovepop“ für drei Tage aufs Floß.

23 DJs aus allen Teilen Deutschlands sowie aus dem benachbarten Ausland, darunter internationale Größen wie Karotte aus Frankfurt, Electric Indigo aus Wien und ND_Baumecker vom Berliner Berghain, haben bald nur ein Ziel: Stuttgart! Der Neckar! Fridas Pier! Alle Musikmachende beim ersten dreitägigen queeren Open Air & Clubfestival in Süddeutschland gehören zur LBGTTIQ-Community oder stehen ihr nahe. „Lovepop in & im Fluss“ – so nennt sich das dreitägige Spektakel, für das Till O. Scheurle und Dirk Wein als Veranstalter und Organisatoren vom 26. bis 28. August bei dieser besonderen Art von Wasserspielen folgendes Motto ausrufen: „Queer – straight – whatever“. Dabeisein können also alle, was auch immer sie sind. Die bunte Vielfalt feiert am besten gemeinsam, nicht mehr jede Szene und sozusagen jeder Buchstabe für sich!

„Auch ein bisschen Größenwahn war früher bei mir dabei“

Dirk Wein ist ein queerer Veranstalter der ersten Stunde in Stuttgart. 1988 hat er seinen ersten Gay-Event organisiert mit dem Titel „Flower Power in Spring“ im LKA in Wangen – da war er gerade mal 24 Jahre alt. Auch seine beiden Mitveranstalter waren in etwa so alt. Seit bald 35 Jahren prägt Wein, ein studierter Grafikdesigner, der als Artdirektor eine Dekofirma mitgeführt und für namhafte Firmen gearbeitet hat, das heimische Partyleben. Viele Höhe-, aber auch Tiefpunkte gab’s in seinem Partymacherleben. Mal war er äußerst erfolgreich, mal dem finanziellen Ruin ganz nah. Selbst sagt er über sich: „Auch ein bisschen Größenwahn war früher bei mir dabei, die Partys waren zwar immer rappelvoll, aber am Schluss blieb trotzdem nicht viel übrig.“ Dies treffe vor allem auf seine Partyreihen im Perkins Park zu, etwa für die queere „Boyznight“ oder seine Techno-Veranstaltungen. Hinzu kam, dass er aufgrund einer schweren Erkrankung immer wieder zurückgeworfen wurde und pausieren musste.

Bei seinen „Boysnights“ gab’s Darkrooms. Doch schon früh wollte er „für alle“ feiern, damit auch ohne dunkle Räume für Sex. Auch Heteros sollten sich bei ihm wohlfühlen – ganz dem Ruf folgend, die besten Partys von Stuttgart feiern die Queers. Mit Jürgen Endres hat Dirk Wein seit 2008 die Reihe „Lovepop“ etabliert, bei der man nun an drei Tagen ausgiebig durchtanzen kann.

Boy George feierte seinen 33. Geburtstag im Perkins Park

Als Wein Ende der 1980ern mit seinen queeren Partys begonnen hat, war Stuttgart in Sachen Toleranz wohl schon ziemlich weit. „Wir mussten uns nicht verstecken“, erinnert er sich. Größere Probleme habe es damals allenfalls bei „Men-Only-Partys“ oder bei schwulen Sauna gegeben. „Überall, wo Sex im Spiel war oder man vermuten konnte, dass Sex im Spiel ist“, sagt Dirk Wein, „bei Veranstaltungen im LKA oder Perkins Park kam man bei den Ordnungsbehörden nicht gleich auf solche Gedanken.“

1994 holte er Boy George nach Stuttgart. „Er war sehr umgänglich und nett“, erinnert sich Dirk Wein, „als wir aber eine riesige Torte zu seinem 33. Geburtstag, den er an diesem Tag hatte, auf die Bühne bringen wollten, wurde er kurz ziemlich zickig und sagte, dies wolle er nicht.“ Dann habe er sich aber doch gefreut und mit den Gästen gefeiert.

Dass er von Clublegende Laura Hausverbot bekam, ist längst Geschichte

Den größten Widerstand gegen seine queeren Partys, erzählt Dirk Wein, hat er in der Anfangszeit nicht von Heteros oder gar durch homophobe Anfeindungen erlebt, wie man meinen könnte, sondern aus der Gay-Community selbst heraus. „Man warf mir vor, dass ich Gayevents in ,Hetero-Läden’ veranstalte und dass die Gays nur abgezockt werden sollten“, berichtet er. Vor dem Perkins Park seien sogar Boykott-Flyer gegen ihn verteilt worden, auf denen zur Gegenparty im Kings Club eingeladen wurde. Mit dessen Wirtin Laura Halding-Hoppenheit, einer Ikone der queeren Community, versteht er sich heute mehr als gut, wie er betont. Dass Wein einst von ihr Hausverbot bekam, ist längst Geschichte.

Die reguläre „Lovepop“-Veranstaltung findet immer am ersten Samstag im Monat im White Noise Club & Bar statt. Corona-bedingt ging es vor einem Jahr auf Fridas Pier. Dies kam so gut an, dass Wein und Scheurle nun an drei Tagen feiern. „Fridas Crew war von Anfang an begeistert von der Idee und auch die Stadt Stuttgart konnte dem Konzept nur Gutes abgewinnen“, freut sich Dirk Wein. Das Kulturamt der Stadt ist mit eingestiegen und fördert das Festival.