Der Museumschef Abba Tijani aus Nigeria mit seiner Kollegin Inés de Castro vom Stuttgarter Linden-Museum Foto: Linden-Museum/Dominik Drasdow

Deutschland und Nigeria schließen in Berlin einen Vertrag zur Rückgabe der Benin-Bronzen. Stuttgart aber ist schon längst weiter – dafür gibt es Lob aus berufenem Munde.

Normalerweise hat man es nicht so gern, wenn Gäste vorbeikommen, um sich am eigenen Besitzstand zu bedienen. Doch an diesem Donnerstagmittag geht es im Stuttgarter Linden-Museum beim Besuch von Abba Tijani, dem Generaldirektor der Nationalen Museums- und Denkmalbehörde Nigerias, ausgesprochen freundlich, ja herzlich zu. Die Hausherrin Petra Olschowski vom Kunstministerium Baden-Württemberg und Hausherr Marc Gegenfurtner vom Kulturamt der Stadt Stuttgart wissen genau, dass Tijani hier und heute nur an jener Kunst interessiert ist, die eigentlich ja seinem Land gehört. Und Museumsdirektorin Inés de Castro ist ohnehin seit Jahr und Tag oft führend in der Debatte über die Rückgabe kolonialer Raubkunst an ihre Herkunftsländer.

Zwanzig Museen in Deutschland sind betroffen

Doch der Reihe nach: An diesem Freitag wird in Berlin zwischen den Regierungen von Deutschland und Nigeria eine Absichtserklärung unterzeichnet, die den Weg frei macht für die Eigentumsübertragung wertvoller Kunstobjekte aus dem Palast des früheren afrikanischen Königreichs Benin an den heutigen Staat Nigeria. Bei den insgesamt 1100 wertvollen Kunstobjekten, die aktuell auf 20 deutsche Museen verteilt sind, spricht man gemeinhin von den Benin-Bronzen, obwohl es darüber hinaus auch um Kunstwerke aus anderen Materialien geht.

Dass es sich bei diesen Objekten um koloniale Raubkunst handelt, daran kann beim übergroßen Teil kein Zweifel bestehen: 1897 schlugen britische Truppen das Königreich Benin nieder und plünderten den Königspalast. Um ihren Militärschlag zu refinanzieren, wurden Massen an Kunst- und Kultobjekten in London vom Auktionshaus W. D. Webster zugunsten des britischen Staates versteigert. Insbesondere deutsche Kunsthändler und Museumsdirektoren zeigten sich begeistert von der ebenso hochwertigen wie eigenständigen Kunstsprache des soeben unterjochten Volks; man bot kräftig mit und schlug ordentlich zu. Das Stuttgarter Linden-Museum hat den Großteil seiner heutigen Benin-Sammlung im weiteren Verlauf in Berlin erworben.

Baden-Württemberg führt die Debatte an

Und damit sind wir in Stuttgart, wo am Hegelplatz aktuell 78 Objekte aus dem ehemaligen Königshaus Benin verwahrt werden, darunter 64 Bronzen. Gemeinsam mit den Ethnologischen Museen in Hamburg, Köln, Leipzig und Berlin arbeitet die Direktorin Inés de Castro seit Jahren für eine exakte Herkunftsforschung zu jedem einzelnen Objekt aus ihren Beständen, keineswegs nur zu jenen aus Benin. Vor allem aber pflegt sie auch den intensiven Austausch mit den Kunst- und Museumsexperten in den Herkunftsländern. Und sie wird dabei unterstützt von der Kulturpolitik: Bereits im Juli 2021, und damit als erstes Bundesland überhaupt, hat die Regierung von Baden-Württemberg die grundsätzliche Bereitschaft zur Rückgabe der Benin-Bronzen erklärt.

Der Generaldirektor Abba Tijani ist in Stuttgart voll des Lobes für Deutschland: Man habe die internationale Debatte über die Benin-Raubkunst eröffnet und vorangetrieben, „obwohl die Deutschen ja gar nicht die Kolonialherren in Benin waren“. Nigeria habe alle Voraussetzungen geschaffen, sei „well prepared“, um die Kunstwerke zu bewahren und dem Publikum zu präsentieren.

Nigeria will kein „Vakuum“ in deutschen Museen

Kunststaatssekretärin Petra Olschowski (Grüne) betont, die Benin-Kunst aus der Sammlung des Linden-Museums solle „so schnell und so sicher wie möglich“ zurückgeführt werden; geplant ist dies bereits Ende des Jahres. Museumschefin Inés de Castro bestreitet aktuelle Medienberichte, ihr Haus wehre sich gegen diesen Schritt. „In den 1970er und 1980er Jahren, da hat sich das Linden-Museum gegen die ganze Debatte gewehrt.“ Nun sei man im besten Einvernehmen beispielsweise mit den Fachleuten aus Nigeria. Und ein kleinerer Teil der Benin-Objekte werde schließlich als Dauerleihgabe der neuen alten Besitzer in Stuttgart bleiben. „So können wir auch in Zukunft dem Publikum dies als Zeugnisse einer afrikanischen Kultur, aber auch des europäischen Kolonialismus dokumentieren.“

„Wir wollen hier kein Vakuum im Museum erzeugen“, fügt Tijani hinzu. Sein Land habe ja selbst das größte Interesse am kulturellen Austausch mit Deutschland und Stuttgart – einer Stadt, die er an diesem Tag übrigens zum zweiten Mal besucht. Das erste Mal war er 1994 am Linden-Museum am Hegelplatz 1, während seines Studiums in London.