Der Beckenboden ist für viele Frauen ein namenloses Gebiet. Foto: imago/Photocase/javiindy / Photocase

Beckenbodentraining ist nur etwas für Schwangere? Mit Nichten. Warum wir ausgerechnet dieser Muskulatur mehr Beachtung schenken sollten und was guter Sex damit zu tun hat, erklärt die Gynäkologin Jutta Böhmler-Hahn.

Stuttgart - Jeder hat ihn, aber die wenigsten kümmern sich wirklich um ihn: Mit dem Beckenboden wird sich meist erst befasst, wenn es schon zu spät ist. Dabei ist dieser Muskelkomplex in vielerlei Hinsicht wichtig – nicht nur für schwangere Frauen!

Wie zwei aneinandergelegte Hände umfasst und stützt der Beckenboden – bestehend aus Muskeln, Sehnen und Gewebe – bei Frauen die Harnröhre, die Scheide und den Darmausgang. Dabei hält er aber nicht nur Blase, Vagina und Gebärmutter an ihren Plätzen, sondern ist auch beim Verschließen von beispielsweise der Harnröhre entscheidend. Auch beim Sex kann ein gesunder Beckenboden förderlich sein. Genügend Gründe also, um sich mehr mit dem für viele namenlosen Gebiet zu beschäftigen.

Grundsätzlich brauchen wir den Beckenboden, damit nicht alles unten rausfällt. Doch die meisten Frauen wissen mit ihm nicht wirklich etwas anzufangen. Mädchen wird nicht beigebracht, dass dieser Muskel auch wichtig ist und oft hören Frauen erst in der Schwangerschaft von dessen Bedeutung. Denn vor allem während einer natürlichen Geburt wird der Beckenboden ganz schön in Mitleidenschaft gezogen, da er für das Köpfchen des Kindes zur Seite gedrängt wird und sogar reißen kann. Steht der Kopf des Kindes zu lange im Beckenausgang, kann mit einem künstlichen Dammschnitt mehr Platz geschaffen werden. Der Frau und dem Kind bleiben so einige Wehen erspart. Das wird heute allerdings immer seltener gemacht, da es die Muskulatur zerstört.

Beckenbodentraining ist das A und O

Diese ist nach einer Geburt so oder so mitgenommen, das kann man leider auch nicht ändern. Ein nachlassender Beckenboden kann aber sehr belastend sein, wenn sich die Scheide beispielsweise so weitet, dass Tampons einfach verloren werden oder wenn eine Inkontinenz hinzukommt und der Urin mehr oder weniger unkontrolliert austritt. Und auch, wenn Beckenbodentraining das wohl Langweiligste ist, rate ich jeder Frau dazu. Auch nach der Geburt bitte nicht sechs Wochen pausieren. Der Beckenboden muss durch Training wieder zusammengeführt werden.

Eine positive Nachricht: Wer keine Ahnung hat, wie er seinen Beckenboden trainieren soll oder wie es sich überhaupt anfühlt, wenn er angespannt ist, dem bezahlt die Krankenkasse zwei Mal sechs Übungseinheiten. Es gibt sogar spezielle Physiotherapeutinnen, die sich auf das Training des Beckenbodens spezialisiert haben.

Aber keine Angst, nicht jede Frau bekommt zwangsläufig Probleme mit ihrem Beckenboden. Und auch eine Schwangerschaft und Geburt ist nicht ausschlaggebend. Es ist ein Teil Veranlagung und ein Teil das regelmäßige Training.

Auch Männer sollten sich um ihren Beckenboden kümmern

Abgesehen von den anatomischen Aufgaben ist der Beckenboden nämlich auch für ein gutes Sexleben nicht ganz unwichtig. Ein gut durchbluteter und aktiver Muskel kann die Empfindsamkeit erhöhen. Wer während des Aktes seinen Beckenboden sogar gezielt einsetzten kann, erfährt oft eine Luststeigerung. Beim Mann ist der Beckenboden für das Halten einer Erektion wichtig. Was ja wiederum auch für uns Frauen interessant ist.

Denn auch Männer haben einen Beckenboden und auch der kann zu schwach sein. Allerdings fällt bei ihnen die Geburt als Risikofaktor weg, daher haben Männer da mal wieder Glück und weniger häufig Probleme.

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