Ärzte und Pflegekräfte betreuen Patienten in einem der Behandlungszimmer der Intensivstation in der Universitätsmedizin Rostock. Die Mehrzahl der Covid-19-Patienten mit schwerem Verlauf weist Analysen zufolge eine Sepsis auf. Foto: dpa//ens Büttner

Viele Corona-Patienten mit schwerem Verlauf haben eine Blutvergiftung, an der sie sterben. Die Überlebenden leiden oft lebenslang an den Folgen dieser Sepsis.

Stuttgart/Berlin - Viele Corona-Patienten sterben nach Auskunft der Deutschen Sepsis-Stiftung an einer unerkannten Sepsis. Ein solcher Verlauf könne durch eine bessere Früherkennung und eine angepasste Behandlung oft verhindert werden.

Die Mehrzahl der Covid-19-Patienten mit schwerem Verlauf weist Analysen zufolge eine solche Blutvergiftung auf. Wie sehr die gefährliche Fehlfunktion das Leben langfristig beeinträchtigen kann, zeigt eine neue Auswertung.

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Schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Sepsis

Drei Viertel aller Überlebenden mit einer Blutvergiftung sind demnach von neu hinzugekommenen Gedächtnisstörungen, seelischen oder körperlichen Erkrankungen betroffen.

Bei denjenigen, die zum Zeitpunkt der Sepsis jünger als 40 waren, sind es noch etwa die Hälfte, wie deutsche Forscher im Fachjournal „Jama Network Open“ berichten.

Körperliche, psychische und kognitive Einschränkungen

Das Team der Charité in Berlin, des Universitätsklinikums Jena (UKJ) und des Wissenschaftlichen Instituts der AOK hatte anonymisierte Daten von mehr als 23 Millionen Versicherten der AOK aus den Jahren 2009 bis 2017 ausgewertet, um die Häufigkeit und die Kosten der gesundheitlichen Folgen einer Sepsiserkrankung zu bestimmen.

Fast 159 700 der Versicherten über 15 Jahre waren 2013 oder 2014 wegen einer Sepsis im Krankenhaus behandelt worden. Für sie wurden die Vorerkrankungen sowie neue Diagnosen in den drei Jahren nach der Sepsis und der daraus resultierende Behandlungs- und Pflegebedarf erfasst.

„Dabei suchten wir nach neuen körperlichen, psychischen und kognitiven Einschränkungen, wie sie bekanntermaßen als Folge einer Sepsis auftreten können – etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kognitive oder motorische Störungen, das Erschöpfungssyndrom Fatigue oder Depressionen“, erläutert die Projektleiterin Carolin Fleischmann-Struzek vom UKJ.

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320 000 Sepsis-Fälle pro Jahr in Deutschland

Als Sepsis wird eine Organfehlfunktion bezeichnet, die durch eine überschießende Immunreaktion auf eine Infektion verursacht wird. Eine Folge der mit der Immunreaktion einhergehenden Zerstörung von Gewebe kann sein, dass Organe wie Niere oder Leber nicht mehr arbeiten.

Weltweit ist Sepsis die führende infektionsbedingte Todesursache, wie die Experten erläutern. In Deutschland werden demnach jedes Jahr etwa 320 000 Fälle im Krankenhaus behandelt, die Sterblichkeit in der Klinik liege bei rund 25 Prozent.

Sepsis spielt nach Angaben des Vorsitzenden der Deutschen Sepsis-Stiftung Konrad Reinhart nicht nur bei Corona eine entscheidende Rolle, sondern auch bei Ebola, Grippe oder jeder zukünftigen Pandemie, unabhängig vom Erreger.

Blutvergiftung wird oft zu spät bemerkt

Nach wie vor gebe es eine weit verbreitete Unkenntnis über das Thema Sepsis in der Bevölkerung, aber zum Teil auch beim medizinischen oder pflegerischen Personal, beklagt der Intensivmediziner Reinhart. Der starke Bedarf an Intensivbetten und die hohe Sterblichkeitsrate von Covid-19-Patienten seien vor allem durch Sepsis bedingt.

Reinhart nannte es ein „großes Problem“, dass viele Patienten, die sich mit einer unkomplizierten Covid-19-Erkrankung zu Hause auskurieren wollten, nicht rechtzeitig den Übergang ihrer Krankheit in eine Blutvergiftung bemerkten.

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