SPD, Grüne und CDU werben vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein auf Plakaten für ihre Spitzenkandidaten. Foto: /Richard Wareham

Am Sonntag wählen 2,3 Millionen Wahlberechtigte in Schleswig-Holstein ihren Landtag. Die CDU liegt weit vor SPD und Grünen. Überraschungen kann es trotzdem geben.

Rund 2,3 Millionen Wahlberechtigte sind am Sonntag aufgerufen, das im Landeshaus von Kiel tagende Parlament von Schleswig-Holstein neu zu bestimmen. Bei der Wahl vor fünf Jahren kegelte Daniel Günther (CDU) den glücklosen und präsidial-arrogant wirkenden SPD-Ministerpräsidenten Torsten Albig aus dem Amt. Seither scheint Regierungschef Günther auf einem Höhenflug zu sein, die Umfragen sehen seine Partei bei 38 Prozent, sechs Prozent über dem Ergebnis von 2017 und jeweils in gut doppelter Länge vor SPD und Grünen.

Konkurrenten sind weit abgeschlagen

Erschütternd für die kleineren Parteien sind die Beliebtheitswerte des smarten Politikwissenschaftlers Günther (48), der katholisch ist, verheiratet und zwei Töchter hat. Beobachter selbst des politischen Gegners sehen in ihm eine Art „Landeslieblingsschwiegersohn“. Laut Umfrage würden 64 Prozent ihn direkt zum Ministerpräsidenten wählen, beim ebenso smarten SPD-Herausforderer Thomas Losse-Müller (49) – Volkswirt, Ex-Weltbanker und ehemaligem Grünen – sind dies nur elf Prozent. Die seit zehn Jahren amtierende Finanzministerin und Grünen-Spitzenkandidatin Monika Heinold (63) – die im Duo mit der Afrodeutschen Aminata Touré antritt – käme bei einer Direktwahl nur auf zehn Prozent. Obwohl Heinold – einst Erzieherin und zunächst beargwöhnt in ihrem Ministeramt – sich fachlichen Respekt in ihrer Rolle als „Hüterin“ der Zahlen eingehandelt hat und Etatüberschüsse erzielte. Und obwohl sie es ist, die sowohl die SPD als auch die CDU wegen finanziell nicht gedeckter Wahlversprechen geißelt.

Die Dänen-Partei ist im Aufwind

Es ist aber neben Günther auch die Grüne Heinold, die sich im Wahlkampf immer noch energisch als „Ministerpräsidentin“ einer künftigen Koalition in Szene setzt. Mit wem? Nur mit SPD, Grünen, FDP und der dänischen Minderheitspartei Südschleswigscher Wählerverband (SSW) wäre dies möglich. Aber gerade der Fall SSW deutet mögliche Überraschungen bei dieser Wahl an, denn sie befindet sich im Aufwind und liegt erstmals in Umfragen über der Fünf-Prozent-Hürde – von der sie eigentlich befreit ist – und gleichauf mit der AfD. Und die „Dänenpartei“ unter Lars Harms hat deutlich gemacht, dass sie sich zum ersten Mal auch mit der CDU eine Koalition vorstellen könnte.

Einst zählte Günther zu den Merz-Gegnern

Daniel Günther – das scheint gewiss – wird nach dem Wahltag die Qual der Wahl haben, wen er sich für ein Bündnis aussucht. Trotzdem betont der auf parteiübergreifende Harmonie betonte Christdemokrat und einstige Merkel-Anhänger und Merz-Gegner immer wieder, dass er sein Jamaika-Bündnis, das einzige in Deutschland, fortsetzen wolle: „Jamaika hat Schleswig-Holstein gutgetan. Ich möchte keinen missen“, sagt er.

Schwarz-Grün oder Schwarz-Gelb?

Plausibel ist sein Festhalten an Jamaika nicht, da sowohl FDP als auch Grüne kundgetan haben, dass sie für eine Koalition nur zur Verfügung stünden, wenn sie „gebraucht“ würden. Keiner will fünftes Rad am Wagen sein. Günther wird sich also entscheiden müssen zwischen Schwarz-Grün und Schwarz-Gelb (vielleicht mit dem SSW). Das wird spannend nach dieser Wahl.

Der schleppende Autobahnbau war ein Thema

Die Topthemen im Wahlkampf waren laut einer NDR-Umfrage der Verkehr, die Energiewende sowie Schule und Bildung. Das Fehlen von E-Ladesäulen, der mangelhafte ÖPNV auf dem flachen Land, wo man sich mit „Mitfahrbänken“ behilft, sowie der schleppende Ausbau der A 20 waren Streitthemen. Das Land gehört zu den fünf am dünnsten besiedelten Flächenstaaten, die Menschen sind aufs Auto angewiesen. Die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas beflügelte das Energiethema, wobei Grünen-Chefin Heinold, die angriffslustigste unter den Spitzenkandidaten, der CDU „Zaudern und Zögern“ beim Klimaschutz vorgeworfen hat. Die Koalitionspartner CDU und FDP halten am 1000-Meter-Abstand zu Windrädern fest – eine Tatsache, die nach Ansicht der SPD dazu führte, das sich in Günthers Amtszeit kein einziges neues Windrad zu drehen begann. Auch wollen CDU und Liberale eine stärkere Ölförderung im Wattenmeer, was für die Grünen ebenso schwierig ist wie der Bau eines LNG-Terminals für Flüssiggas in Brunsbüttel: Die Grünen-Spitze in Kiel ist dafür, ein Landesparteitag war dagegen.

SPD will kostenlose Laptops für Schüler

Auch Günther segelt unter der Flagge des Energiewendelandes, verspricht wirtschaftliche Prosperität, denn Unternehmen wollten sich dort ansiedeln, wo „grüner Strom“ vorhanden sei. „Jamaika hat das Soziale nicht im Blick“, wirft hingegen SPD-Mann Losse-Müller dem Regierungsbündnis vor. Losse-Müller, der erst 2020 von den Grünen zur SPD wechselte, steigert seinen Bekanntheitsgrad nur langsam. Inhaltlich hat er ein festes SPD-Programm geschnürt: gebührenfreie Kitas, Wiedereinführung von Mietpreisbremse, Tariftreuegesetz, sowie kostenlose Laptops ab Klasse acht. Die Grüne Heinold wirft dem Genossen deshalb unbezahlbare Versprechen vor. Dass die CDU weiter die Regierung stellen wird, das scheint schon vor der Wahl ausgemacht zu sein.