Durch eine Verfügung der Stadt darf der Mann eigentlich keine Taschenmesser mehr besitzen. Foto: imago images/Gottfried Czepluch

Regelmäßig tickt ein Schorndorfer aus, bedroht und attackiert andere Menschen – nun steht er vor dem Stuttgarter Landgericht. Vermutlich wird er in die Psychiatrie eingewiesen.

Wenn der Angeklagte aus seinem Leben erzählt, macht er einen sachlichen, sortierten Eindruck. Doch die lange Anklageschrift zeigt, dass er auch eine andere Seite hat – dann, wenn die psychische Krankheit ihn im Griff hat und er wegen Kleinigkeiten ausrastet. Nun steht der 43-Jährige vor dem Landgericht. Die Vorwürfe: Körperverletzung, Bedrohung, Raub, Amtsanmaßung, Beleidigung und Verstöße gegen das Waffengesetz. Die meisten der Vorwürfe hat der Mann zum Auftakt eingeräumt, an andere hingegen erinnert er sich anders – oder gar nicht mehr.

Dass er psychisch krank ist, bestreitet vor Gericht niemand. Seit Jahren ist der Schorndorfer in Behandlung – wegen Depressionen und einen bipolaren Störung. Immer wieder war er im Winnender Zentrum für Psychiatrie (ZfP), teils auf eigenen Wunsch. Doch seine Versuche, seiner Dämonen und chronischen Schmerzen mit Marihuana und Speed Herr zu werden, sind oft wenig erfolgreich.

Immer wieder ist der Mann in den vergangenen Monaten aufgefallen – und oft spielten dabei Messer eine Rolle. Und das, obwohl er laut einer Verfügung der Stadt Schorndorf nicht einmal mehr Taschenmesser kaufen oder besitzen dürfte, die eigentlich legal sind. „Das war mir nicht klar, dass ich nicht einmal ein kleines Taschenmesser haben darf“, erklärte er vor Gericht. Wobei bei einigen der Vorfälle, wegen denen er nun vor Gericht steht, deutlich größere Klingen im Spiel waren. Etwa, als er sich von Jugendlichen im Stadtpark beleidigt fühlte – und reagierte, indem er ein großes Jagdmesser holte und damit mit dem Fahrrad um die Jugendlichen herumfuhr.

Mitarbeiter eines Elektronikmarkts bedroht

Im Juli 2021 ging der Mann in einen Elektronikmarkt und testete einen Bluetooth-Lautsprecher, indem er extrem laut Rockmusik abspielte. Als Mitarbeiter ihn ansprachen, zückte er ein Klappmesser, das er einem der Angestellten an den Hals gehalten haben soll. „Willst du sterben“, soll er einen der Männer gefragt und zum anderen gesagt haben: „Dich Wichser stech’ ich auch noch ab.“

Auch einen Mitbewohner in einer Unterkunft soll er bei einem Streit beschimpft und bedroht haben, während er mit einem Messer Stichbewegungen ausführte. „Ich wollte ihn nur einschüchtern“, beteuert er nun. Ein anderes Mal trommelte er unter Drogeneinfluss in Schorndorf auf einem Auto herum – als ein Mann ihn ansprach, gab er sich als Polizist aus und wollte den Mann kontrollieren. Als dieser nicht reagierte, spuckte er ihm ins Gesicht.

Der Prozess dauert voraussichtlich mehrere Tage

Der bislang folgenschwerste Ausraster ereignete sich im Juli 2021, als es im ZfP Winnenden zu einem handgreiflichen Streit mit einem Pfleger kam. Dieser sagte, der 43-Jährige habe ihm ein Tuch um den Hals gewickelt und zugezogen. Er war danach fünf Tage arbeitsunfähig. Dass sich der Vorfall so ereignet hat, mag der Angeklagte nicht glauben: Er habe sich damals eine Einkaufstüte um die Hand gewickelt und den Pfleger höchstens in den Schwitzkasten genommen, „um mich zu verteidigen“. Weil es sich um insgesamt zehn solcher Vorfälle handelt, hat das Landgericht mehrere Prozesstage angesetzt. Es ist wahrscheinlich, dass der hoch verschuldete 43-Jährige in die Psychiatrie eingewiesen wird, die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass seine Schuldfähigkeit durch die Krankheit eingeschränkt ist.