Ein Flüchtling aus der Ukraine hat mehrere Brände in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) gelegt. Nun steht vor Gericht. Was waren die Beweggründe für die Taten?
Es sind ungewöhnliche Szenen, die sich in dem kleinen Sitzungssaal im Landgericht Stuttgart an diesem Vormittag abspielen: Gegenüber dem taubstummen kräftigen ukrainischen Angeklagten im braunen Hoodie sitzen gleich zwei Gebärdendolmetscher, die die Fragen der Richter und die – teilweise sehr ausschweifenden – Antworten des Angeklagten simultan übersetzen. Und nicht alle sorgen für Zufriedenheit bei den Prozessbeteiligten, die versuchen, eine Serie von Bränden in verschiedenen Unterkünften in Winnenden in den Jahren 2023 und 2024 aufzuklären.
Schwere und versuchte Brandstiftung sowie Sachbeschädigung in zehn Fällen wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor. Er soll mehrere Flüchtlingsunterkünfte in Brand gesetzt haben, in denen er mit seiner Ehefrau und den drei Kindern selbst lebte. Den Gesamtschaden beziffert die Anklagebehörde auf insgesamt 1,7 Millionen Euro. Die ersten sieben Brände waren in zwei Gebäuden im Steinweg ausgebrochen, die letzten drei in einem Wohncontainer in der Albertviller Straße. In den Gebäuden hatten jeweils knapp 20 Flüchtlinge gelebt.
Wann hat die Brandserie begonnen?
Beim ersten Brand am 3. November 2023 soll der Angeklagte Kleidungsstücke auf einem Wäscheständer entzündet haben, was zu einem Sachschaden von 5000 Euro führte. Beim zweiten Brand einen Tag später in einem Abstellraum hat der Sachschaden 50 000 Euro betragen. Drei Tage später soll er Möbel und Holz in einer Garage angezündet haben, Folge war ein Vollbrand mit Schaden von 1500 Euro. Wenige Stunden später hat der 28-Jährige laut Anklage zwei Kleiderstapel in Brand gesetzt, hier konnte die Feuerwehr ein Übergreifen auf weitere Gebäudeteile verhindern.
Zwei Tage später soll er in einer leer stehenden Wohnung ein Feuer entzündet haben, das zu einem Vollbrand im Dachstuhl führte mit einem Schaden von 100 000 Euro. Im Sommer vergangenen Jahres habe er dann noch zweimal in Kellern Brände gelegt, was einen Gesamtschaden von 20 000 Euro zur Folge hatte.
Schlimmster Brand am 21. Dezember 2024
Am 15. Dezember vergangenen Jahres soll der Angeklagte dann in der Albertviller Straße eine Matratze angezündet haben, wo es wegen der Rauchentwicklung zu einem Schaden von 10 000 Euro kam. 20 000 Euro betrug der Schaden, den der Angeklagte zwei Tage später verursacht haben soll, indem er einen Wäscheständer und einen Koffer mit Bekleidung entzündete. Der größte Schaden mit insgesamt 1,5 Millionen Euro war die Folge eines Brandes am 21. Dezember, als der 28-Jährige in der Waschküche ein Feuer legte. Dabei brannte laut Anklage die linke Seite des Gebäudes und das Erdgeschoss komplett aus, auch das erste Obergeschoss wurde durch Feuer, Rauch und Löschwasser beschädigt. Die letzten drei Brandstiftungen in der Albertviller Straße räumte der Angeklagte unumwunden ein.
Das sagt der Angeklagte zu seinem Motiv
Er sei wütend gewesen über einen Mitbewohner, der ständig gekifft und ohrenbetäubend laute Musik gehört habe. „Es lag ständig ein Marihuanageruch in der Luft, und die Wände haben gebebt, meine Kinder konnten kaum schlafen“, erklärte der 28-Jährige. Er habe sich immer wieder bei dem Mitbewohner und den Sozialarbeitern beschwert, diese hätten aber nicht reagiert und ihm keine andere Wohnung anbieten können. Da habe er überlegt, was er tun könne und wie er auf seine Situation aufmerksam machen könnte. Die Sachen, die er angezündet habe, hätten zum Teil dem uneinsichtigen Mitbewohner gehört. Es seien alles aber keine Dinge von Wert gewesen.
Der Angeklagte, der aus der Ostukraine stammt und zwei Tage nach dem Angriff von Russland über Rumänien und die Slowakei nach Deutschland floh und seit Juni 2022 in Winnenden lebt, bestritt aber, die ersten sieben Brände in der Steinstraße gelegt zu haben und führte teilweise Alibis für diese Zeiten an. Zweimal sei er in Videogesprächen mit Freunden in der Ukraine gewesen. Zudem habe es ihm in der Steinstraße gut gefallen, dort seien mehrere Nicht-Hörende gewesen und Schule und Kindergarten in der Nähe.
Für den Prozess sind neun weitere Verhandlungstage angesetzt, der nächste am 2. Juni. Das Urteil soll am 30. Juli verkündet werden.