Die zum IBA’27-Festival geschaffene monumentale Skulptur „Brockengespenst“ am Technik-Forum verschwindet wieder. An diesem Freitag, 16 Uhr, ist Abschiedsfeier.
Viele Ideen der Internationalen Bauausstellung (IBA) existieren bislang nur als Entwurf. In Backnang war das anders: Im Sommer 2023 entstand im Rahmen eines städtisch unterstützten Symposiums das Kunstwerk „Brockengespenst“. Vier Bildhauer – unter ihnen Norbert Kempf – schufen innerhalb weniger Tage aus mehr als 30 Tonnen Sandstein eine monumentale Skulptur mit Wasserläufen, Handabdrücken und Sitznischen: Das „Brockengespenst“. Standort war der Innenhof des Technikforums – von Anfang an als temporäre Lösung gedacht.
Stadtverwaltung hält Zusagen nicht: Kein neuer Platz für Skulptur
Klar war aber auch: Es sollte ein neuer, dauerhafter Platz gefunden werden. Der Künstler Nobert Kempf spricht von Zusagen seitens der Stadtverwaltung, dass ein solcher Standort kommen werde. Er brachte konkrete Vorschläge ein – etwa in der Nähe der Murr oder in parkähnlichen Bereichen. Doch keine der Optionen führte weiter. Manche Flächen lagen in privater Hand, eine andere war aus Gründen des Hochwasserschutzes nicht nutzbar.
Vor wenige Wochen fiel dann die endgültige Entscheidung: Das Werk muss entfernt werden, ein alternativer Ort sei nicht in Sicht, hieß es, berichtet der Backnanger Künstler. Kempf erklärte sich bereit, den Abbau selbst zu übernehmen. Die Steine bringt er demnächst mit einem Kranfahrzeug ins Lager. Eine Umsetzung in ein anderes IBA-Projekt – etwa in Stuttgart – sei im Gespräch gewesen, aber ebenfalls gescheitert.
Stadt: Wassertechnik und Sicherheit sind zentrale Hürden
Der Backnanger Kulturamtsleiter Johannes Ellrott betont auf Nachfrage, dass das Symposium zur IBA’27-Ausstellung in Backnang ergebnisoffen angelegt gewesen sei. „Vorab war nicht klar, was genau daraus entsteht“, sagt er. Erst im Verlauf des Projekts habe sich gezeigt, welche Ausmaße das Kunstwerk hat – und dass es ohne Wasser nicht funktioniere. „Ohne Wasser kein Brockengespenst – das war Teil des Kunstwerks“, sagt er.
Man habe das Ergebnis zunächst als Ganzes betrachten und anschließend prüfen wollen, ob und wo sich eine Integration in der Stadt realisieren lasse. Die IBA-Areale in Backnang seien für eine Umsetzung ungeeignet, da sich diese teils noch in Planung befänden – mit Fertigstellungen, die sich über Jahre hinziehen könnten, erklärt Ellrott. Und der Standort am Technikforum wiederum sei dauerhaft nicht verfügbar, da die Fläche regelmäßig für Veranstaltungen und Parkplätze benötigt werde.
Technische Hürden verhindern dauerhaften Standort
Als wesentliche Herausforderung sieht Ellrott allerdings die technischen Anforderungen: Ein dauerhafter Wasseranschluss müsse eingerichtet und die Wasserqualität dauerhaft gewährleistet werden. „Wir müssten garantieren, dass es nicht zu Keimbelastungen kommt.“ Am Ende hätten all diese Punkte dazu geführt, dass die Stadt – „trotz grundsätzlicher Anerkennung des Werks“ – keinen geeigneten Platz habe bieten können. Das Symposium selbst bewertet Ellrott dennoch positiv: „Das war ein starkes Zeichen und ein tolles Spektakel.“ Der Gemeinderat habe das Projekt auch mit mehreren tausend Euro unterstützt.
Künstler sieht strukturelle Probleme
Für Norbert Kempf bleibt der Eindruck zurück, dass öffentliche Kunst in Backnang „außerhalb institutioneller Programme nur schwer Platz findet“. Enttäuscht sei er über die Absage nicht gewesen, überrascht habe sie ihn doch. Garantien gebe es nie: „Ich gehe grundsätzlich zunächst nie davon aus, dass meine Vorschläge umgesetzt werden“, sagt er. „Ich kann als Künstler nur Angebote machen.“
Gleichzeitig soll der Austausch keineswegs abreißen – im Gegenteil. Kempf wünscht sich, dass Kunstschaffende frühzeitig in städtische Planungsprozesse einbezogen werden. Ihre Perspektiven könnten dazu beitragen, die Stadtentwicklung kulturell mitzugestalten und öffentliche Räume lebendig zu machen. „Damit künstlerische Impulse nicht nur als Beiwerk, sondern als integraler Bestandteil verstanden werden, braucht es einen offenen und kontinuierlichen Dialog – und nicht zuletzt auch eine Verbindlichkeit.“ Durch direkte Unterstützung der sogenannten Subkultur beziehungsweise subkultureller Akteure könne mit wenig Mitteln viel bewirkt werden.
Neue Projekte, neuer Ort
Kempf arbeitet bereits an neuen Vorhaben. An der Anna-Haag-Schule soll möglichst ein neues Projekt realisiert werden: Eine Anlage mit Leuchtzeichen, großzügigen Sitz- und Liegeflächen sowie Pflanzbeeten. Ziel sei es, den Schulzugang sichtbarer zu machen und einen Begegnungsort für Schüler zu schaffen. „Ziel ist auch, über die Sichtbarmachung der Namensgeberin, deren Werte zu vermitteln beziehungsweise darüber nachzudenken – Pazifismus, Demokratie, Weltbürgertum, Schreiben, Denken – und das an einem Ort der angenehm ist und duftet“, erklärt der Steinmetz und Bildhauer.
Zudem stellt Kempf im Juli in Ludwigsburg ein weiterentwickeltes Modell seines Friedensprojekts vor – ein Entwurf, den er ursprünglich in Backnang eingebracht hatte.
Die Demontage ist entschieden. Dass das „Brockengespenst“ je wieder öffentlich gezeigt wird, ist unwahrscheinlich. Zum Abschied aber soll es noch einmal eine kleine Feier geben. Am Freitag, 4. Juli, ab 16 Uhr mit Brot, Wein, Gesprächen sowie einer Abschiedsrede durch den Philosophen Ernst Hövelborn. Danach wird das Brockengespenst nur noch im Geiste existieren.