Moritz Haidle schafft mit Sprühbutter essbare Streetart. Foto: /Weier

Das Herz von Moritz Haidle schlägt nicht nur für Wein: Bei einem Koch-Event zur Eröffnung der Galerie UKW (Urbane Kunst West) begeistert der Remstaler Jungwinzer am Freitagabend mit seiner Graffiti-Liebe. Er liefert ein spektakuläres Dessert.

Ritz kommt von Moritz und war sein Spitzname in der Schule. Ritz ist auch sein Künstlername als Graffiti-Sprayer. Der Riesling, den er heute macht, heißt Ritzling. Moritz Haidle, der in dritter Generation das Weingut Karl Haidle in Stetten im Remstal führt und eine Rebfläche von 23 Hektar biologisch bewirtschaftet, lebt seine Leidenschaft und Kreativität vielseitig aus. Mit 13 oder 14 zog er los mit der Spraydose und hat damit bis heute Spuren hinterlassen. Erst Jahre später fing er mit dem Wein an. Dass über ihn oft geschrieben wird, er sei ein „Graffiti- und Rapper-Winzer“, behagt ihm nicht so. „Eigentlich sollten meine Weine im Vordergrund stehen“, findet „Ritz“.

An diesem Abend, da er zur Eröffnung der Galerie UKW (Urbane Kunst West) an der Spittastraße Bilder von Jeroo an der Wand sieht, kann der 35-Jährige nicht anders. Der international erfolgreiche Graffiti-Star Jeroo mit Wurzeln in Weil der Stadt war in jungen Jahren Haidles Idol. Jetzt greift der Winzer zur Spraydose – zu einer ganz besonderen. Die Köchin Qin Xie, genannt Chin, die der zweite Star des Abends ist, hat ihm Sprühbutter besorgt. Moritz Haidle bespritzt die essbare Farbe auf essbares Papier – damit entsteht ein Dessert, das ein Kunstwerk ist.

Streetart meets Streetfood

Das Schicksal von Graffiti-Werken ist, dass sie oft nicht lange halten. Sie werden übersprüht oder entfernt. Das Graffito von Sprayer Ritz wird an die Gäste mit „Krümelmonster Biskuit“ und „Mala Choco Tartlet“ serviert – als Höhepunkt eines zehngängigen Streetfood-Menüs, das bei den Gästen hervorragend ankommt.

Streetart meets Streetfood – die Idee dazu hatte der Unternehmer Uwe Seltmann, der Chef der Galerie UKW. Als Investor pendelt er zwischen Kessel und Big Apple, lebt abwechselnd in Stuttgart und in New York, „in the Länd und in the City“, wie er lächelnd sagt. Befreundet ist er mit der gebürtigen Japanerin Shiro, die als eine der besten Streetart-Künstlerinnen in der von Männern dominierten Graffiti-Szene gilt. Auch Werke von Shiro hängen in der neuen Galerie zum Verkauf.

Chin gibt künftig Kochkurse in der neuen Galerie

Als Streetart werden nichtkommerzielle Formen von Kunst in der bemalten Stadt bezeichnet. Viele Künstler schaffen den Sprung von der Straße in Galerien. Shiro will ihre Herkunft nicht verleugnen. Sie hat ihren Platz gefunden in der Subkultur zwischen Kunst und Kommerz.

Direkt in der Galerie hat an diesem Abend die Köchin Chin ihre Garküche mit Wok aufgebaut. Künftig will sie Kochkurse am neuen Ort der Kunst (früher befand sich hier eine Modeboutique) im Stuttgarter Westen geben. Die Chinesin, die Kochbücher schreibt und im Fernsehen kocht, bereitet vor den Augen der Gäste unter anderem Sommerrollen aus Vietnam, Thai Spießchen aus Thailand oder Peking Wrap aus China zu. Von Gang zu Gang, das sich die Gäste wie bei Streetfood üblich in kleinen Mengen abholen, wird’s schärfer. Moritz Haidle liefert dazu die passenden Weine und erklärt sie wie ein Entertainer. Scharf und „ritzig“ passt sehr gut zusammen, worüber sich die Genießer an diesem Abend freuen. Es zeigt sich beim Dessert: Streetart ist vergänglich, aber das gerade macht den Reiz aus.