Der Turm des Luma-Projektes in Arles erregt die Gemüter. Foto: AFP/PASCAL GUYOT

Maja Hoffmann hat in Arles eines der größten privaten Kunst-und Kulturprojekte Europas eröffnet. Nicht alle Einwohner der Stadt sind über die 150-Millionen-Euro-Investition wirklich erfreut.

Arles - Die Begeisterung für den Luma-Turm kennt im Café de la Roquette keine Grenzen. „Das ganze Projekt ist ein großer Gewinn für Arles“, schwärmt die junge Kunststudentin Marie Arlot. Sie ist extra aus Paris angereist, sitzt nun mit ihren Freunden auf dem idyllischen Place Paul Doumer im Schatten der Bäume, genießt die Spätsommersonne und den Kaffee. Den ganzen Morgen war die Gruppe auf dem Luma-Ausstellungsgelände unterwegs und sie sind „ganz berauscht von den vielen Eindrücken“. Bevor sich die jungen Besucher wieder auf den Heimweg machen, geht es noch zum bekannten römisches Amphitheater von Arles.

Der Turm polarisiert die Menschen

Der markante Luma-Turm des amerikanischen Stararchitekten Frank Gehry gehört zu den einzigartigen Bauwerken, die polarisieren: man findet sie schön oder hässlich, dazwischen gibt es keine ästhetischen Schattierungen. 56 Meter hoch, zieren ihn rund 11 000 Aluminiumkästen, die den Himmel widerspiegeln und im Licht der Sonne Südfrankreichs wie Kristalle metallisch glänzen. Im ersten Augenblick stellt sich unweigerlich ein Wow-Effekt ein, der dann aber bei jedem Betrachter unterschiedliche Assoziationen auslöst. Das Urteil des Kritikers des französischen Architekturmagazins „L’Architecture d’Aujourd’hui“ fällt wenig nett aus. Er fühlt sich an das halb entstellte Gesicht von Arnold Schwarzenegger in dem Kinofilm „Terminator“ erinnert.

Der in diesem Sommer eröffnete spektakuläre Bau ist Teil eines riesigen Ausstellungskomplexes, hinter dem der Name einer Frau steht: Maja Hoffmann, Schweizer Milliardenerbin des Hoffmann-La Roche-Pharmakonzerns, die viele Jahre ihrer Kindheit in Arles verbracht hat. Ihr Vater Lukas Hoffmann, Zoologe und Gründungsmitglied des WWF (World Wide Fund For Nature), baute in der Camargue die biologische Forschungsstation La Tour du Valat zum Schutz der mediterranen Feuchtgebiete auf.

Ein kreatives Zentrum in Südfrankreich

Die Tochter fühlte sich zur Kunst hingezogen. Schon während ihres Film-Studiums sammelte die heute 65-Jährige zeitgenössische Werke. Ende der 1990 Jahr begann sie, in Zusammenarbeit mit Künstlern und Institutionen zahlreiche Kunstprojekte zu produzieren. So sei allmählich die Idee eines Ortes der Kreation und des Austausches zwischen Künstlern, Intellektuellen und Wissenschaftlern entstanden, sagte Maja Hoffmann.

In Arles hat sie auf einem ehemaligen Bahngelände mit dem Luma-Projekt für geschätzte 150 Millionen Euro ihren Traum verwirklich. Der Name ist ein Kunstwort aus den Vornamen ihrer beiden Kinder Lukas und Marina. Nun präsentiert sie auf dem Parc des Ateliers mitten in der 55 000 Einwohner zählenden südfranzösischen Kleinstadt einen elf Hektar großen Komplex mit mehreren Ausstellungshallen, einer Künstlerresidenz, einem Park, einem Café und Restaurant, dessen Blickfang der spektakuläre Turm von Gehry ist.

Symbiose aus Kunst und Architektur

Architektur, Kunst, Forschung und Umweltschutz greifen hier ineinander. In einem der Gebäude befindet sich das Luma-Atelier, eine Art Design- und Forschungslabor. Über zehn Mitarbeiter suchen nach lokalen Ressourcen, um neue, weniger umweltbelastende Materialien zu entwickeln. Einige kamen im Gehry-Turm zum Einsatz, wie die Paneelen aus dem Salz der Camargue, dem Naturschutzgebiet südlich von Arles.

Architektur und Kunst seien zwei Gestaltungsweisen, die sich gegenseitig verstärken, wenn die Symbiose zum richtigen Zeitpunkt und unter den richtigen Bedingungen stattfände, erklärt Maja Hoffmann. Und so gehören Kunstwerke zum festen Bestandteil des Gehry-Turms wie „Isometric Slides“ von Carsten Höller im Eingangsbereich, eine lange Metallrutsche, und der monumentale, sich drehende Deckenspiegel von Olafur Eliasson. Die Hauptausstellungsflächen des 15 000 Quadratmeter großen Baus liegen im Untergeschoss. Zur Eröffnung werden Werke aus der Sammlung Luma-Stiftung/Maja Hoffmann gezeigt sowie Exponate aus der Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung, die ihre Großmutter Maja Hoffmann-Stehlin im Jahr 1933 gegründet hat.

In die Weltliga der Kunstszene katapultiert

Mit dem Luma-Projekt wird Arles in die Weltliga der Kunst- und Kulturszene katapultiert, was von der Stadtverwaltung natürlich begrüßt wird, zumal man sich ein solches Museum nie hätte selbst leisten können. Die Arbeitslosigkeit in Arles liegt mit rund 15 Prozent weit über dem Landesdurchschnitt, die meisten Leute leben von Einnahmen aus dem Tourismus. Claire de Causans, die Beauftrage für Kultur, ist überzeugt, dass sich diese private Investition sehr positiv auf die Entwicklung der Stadt auswirken werde.

Genau das wird aber von vielen Kritikern bezweifelt. Sie befürchten, dass die angestammten Bewohner aus ihrer Stadt vertrieben werden und Arles zu einer Art Spielwiese der Reichen wird. Die Quadratmeterpreise der Immobilien haben sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. In der historischen Innenstadt werden kleine Bäckereien, Metzger oder Haushaltsgeschäfte aus den engen Gassen gedrängt und durch hippe Cafés und Lifestyle-Läden ersetzt. Doch brummt im sommerlichen Arles das Leben, verfällt die Stadt danach über viele Monate in eine Art Winterstarre, weil die immer zahlreicher werdenden Sommerresidenzen der reichen Franzosen dann leer stehen.

Angst vor dem Ausverkauf der eigenen Stadt

Viele befürchten, dass sich diese Art des Luxustourismus durch das Luma-Projekt von Maja Hoffmann noch beschleunigt und die einfachen Menschen auf der Strecke bleiben. Erwartet werden weit über 150 000 Besucher pro Jahr. Diesen Vorwurf wollen die Luma-Verantwortlichen allerdings nicht auf sich sitzen lassen. Im Zuge des Projektes seien 380 Arbeitsplätze geschaffen worden, unterstreicht Direktor Mustapha Bouhayati. Das habe Vorteile für die gesamte Region.

Die Luma-Gegner haben sich aber längst formiert. Sie beobachten die Entwicklung mit größter Skepsis und formulieren ihre oft sehr scharfe Kritik unter anderem im Internet in einem Blog mit dem Titel „Les Voisins Vigilants“ (Die wachsamen Nachbarn). Die Macher fordern etwa zu einem Spaziergang durch das historische Viertel La Roquette auf. Dort werde zwar erfreulich viel gebaut, doch die Frage sei, für wen die Häuser renoviert werden. Die Einwohner von Arles fühlten sich inzwischen wie die ferngesteuerten Figuren in dem populären Videospiel SimCity, schreiben „Les Voisins Vigilants“. Dabei kann ein einzelner Spieler eine Stadt nach seinem Belieben aufbauen und verändern. Ein Kritiker ist überzeugt, dass ohne die ausdrückliche Einwilligung von Maja Hoffmann, die in Arles auch drei Hotels und ein Sterne-Restaurant betreibt, inzwischen nichts mehr gehe.

Ein zwiespältiges Gefühl der Machtlosigkeit

Bei aller Kritik wird deutlich, dass sich viele Skeptiker weniger an der aktuellen Entwicklung reiben. Denn auch sie sehen die positiven Seiten des Engagements der Mäzenin und erkennen, dass diese Art von sehr zielgerichtetem und hochpreisigem Tourismus vielleicht die einzige Möglichkeit ist, ihrer Stadt eine Zukunft zu ermöglichen. Grund zur Unruhe ist eher das ungute Gefühl, dass die Bürger von Arles ihr Schicksal fast bedingungslos in die Hand einer scheinbar allmächtigen Schweizer Milliardärin geben.