Bei der Nachtschicht kommen Kunst und Gemeinschaftssinn zusammen. Foto: Avanti/Ralf Poller

Bei mildem Septemberwetter verwandelten sich 16 Orte in Ausstellungsräume. Besucher genossen Kunst, Gespräche und das besondere Flair der Marbacher Altstadt.

Künstler wie Besucher der Nachtschicht Kunst hatten in diesem Jahr Glück: Das Wetter – Grundvoraussetzung für ein Format, bei dem man 16 verschiedene Lokalitäten aufsucht – zeigte sich am Samstagabend ideal, als die fünfte Auflage der Nachtschicht Kunst zum Schauen, Staunen und Flanieren einlud.

Der milde Septemberabend lockte offensichtlich zahlreiche Kunstliebende an. Sie machten sich erneut auf den Weg, um sich einen Überblick über die bunte Palette künstlerischer Ausdrucksformen zu verschaffen, Neues kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen, hier und da ein Schwätzchen zu halten oder auch einfach einen Cocktail zu genießen. Einen sommerlich-fruchtigen Sarti-Spritz boten etwa die Helfer des „Treff Q“ in der Marktstraße an.

Teils politische Kunst

Kerstin Münch und Christoph Preiss kümmerten sich um das Getränk mit Mango- und Passionsfruchtgeschmack, während die Gäste gleichzeitig die üppig gemalten Nacktheiten oder spärlich bekleideten Figuren von Gert Bader betrachteten und miteinander ins Gespräch kamen. Der Maler liebt es, übergewichtigen Mitmenschen ein Forum zu geben – ohne sie bloßzustellen.

Beim Bummel durch die Altstadt warfen die Besucher neugierige Blicke in hell erleuchtete Galerien, Ateliers und Läden. So etwa ins Antiquariat Friedrich, das bereits in den Schaufenstern eine kleine Auswahl jener Kunst präsentierte, die sich im Inneren des bunt bestückten Tee- und Geschenkeladens fortsetzte. Während die Inhaber Birger Laing und Nicola Heinrich Tee abfüllten, konnten die Gäste mit Volker März ins Gespräch kommen. Der Künstler sprach bereitwillig über seine teils politisch motivierte Kunst.

Besonders seine zierlichen, gebrannten Tonfiguren – oft zu zweit arrangiert und manchmal durch „Kussmuss“, also sich küssende Münder, in Beziehung gesetzt – sorgten durch ihre originelle Statik und Haltung für Schmunzeln und Freude. Für den Künstler selbst sind gerade diese Figuren „wie ein Kindergeburtstag“.

Kritischer wirken hingegen die „Scheinesser“-Figuren mit ihren roten Ohren: „Sie essen Gold und warten offensichtlich auf Anschluss.“ März malt, plastiziert, fotografiert und schreibt Texte. Er versteht sich selbst als „Salatmacher, denn es braucht viele gute Zutaten“. Dass er stets auch Gesellschaftskritik im Gepäck hat, macht er mit folgender Aussage deutlich: „Meine Figuren sind wie Menschen: Sie gehen durchs Feuer, sind trotzdem zerbrechlich und käuflich.“

Auch für Rebecca Tonet stehen Beziehungen im Mittelpunkt, wenn sie ihre textilen Werke erschafft, die das menschliche Kontaktverhalten thematisieren. Ihr im Keller des Burgplatzes ausgestelltes neues Werk „connection zero“ besteht aus reinem Leder, das sie aus einem großen Stück Rinderhaut nähte.

Live-Musik gehört bei der Nachtschicht auch dazu. Foto: Ralf Poller

Sehblick und Oriental Kitchen

„Mir war das dieses Mal besonders wichtig, weil es bei dem Werk ja um Nähe, Begegnung, aber auch um Abstand geht“, erklärte sie. Zwei stilisierte Personen stehen sich in dieser Arbeit hautnah gegenüber und umarmen sich – vom Leder umspannt. Ein eingenähter Wende-Reißverschluss ermöglicht es, sich von innen aus dieser Umarmung zu befreien.

Als Material für ihre Kunst wählt Susanne Feix neben Papier auch Glas. Ihre farbenfrohen Glasexponate waren bereits im Schaufenster des Optikergeschäfts „Sehblick“ zu sehen: Aus orientalischen Teekännchen ragten dort hohe, schmale Glasgebilde empor, die wie gedrechselt wirkten.

Feix gab ihnen den Namen „Oriental Kitchen“. Im Inneren des Ladens wirkten dagegen die runden Magischen Steine – mundgeblasen aus Heißglas gefertigt und für die Nachtschicht auf einem Zierboden mit Naturkieseln platziert – beinahe symbiotisch mit ihrer Umgebung. Fast so, als hätten sie dort schon immer gelegen.