Zwölf pinkfarbene Mini-Häuser stehen diese Woche auf dem Schlossplatz zwischen Königsbau und Kunstmuseum – doch sie sind mehr als bloße Dekoration.
Wer am Sonntag am Stuttgarter Schlossplatz entlang gelaufen ist, hat sie womöglich schon entdeckt: zwölf pinkfarbene Hütten, aufgereiht vor dem Kunstmuseum. Mit dem Museum haben die kleinen Häuschen allerdings nichts zu tun – und auch nicht mit dem Telefonanbieter Telekom, der ebenfalls mit dieser auffälligen Farbe assoziiert wird. Und auch zum Stuttgarter Weindorf gehören die farbprächtigen Häuser nicht.
Hinter den zwölf Häuschen steht der Pforzheimer Architekt und Künstler Andreas Sarow. Bekannt wurde er 2015 durch die „Schwarze Villa“, ein Baudenkmal, das er komplett überstrich und damit für großes Aufsehen – und ein hohes Bußgeld – sorgte.
Magenta-Häuser wandern durch die Städte
Nun präsentiert Sarow sein neues Kunstprojekt „Exkursion“ in der Stuttgarter Innenstadt: Eine Woche lang stehen die sogenannten „Magenta-Häuser“ zwischen dem klassizistischen Königsbau und dem modernen Kunstmuseum. Die Objekte erinnern an übergroße Monopoly-Häuschen – eine Form, die bewusst mit dem Klischee des „Häuslebauers“ spielt und auf die Spießigkeit traditioneller Architektur verweist, verrät der Künstler.
Anders als echte Häuser sind sie jedoch mobil: Auf Tiefladern transportiert, sollen sie in unterschiedlichen Städten und Kontexten auftauchen und die damit gewohnte Vorstellung von der Immobilie als fest verankertem Bauwerk irritieren.
Vermenschlichung der Immobilie als Fokus der Installation
Sarow spricht bei seiner Installation von einer „Vermenschlichung der Immobilie“. Häuser, die gemeinhin für Sesshaftigkeit und Heimat stehen, werden zu Wanderern, die ihre Umgebung wechseln. So entstehe ein Perspektivwechsel: „Was bedeutet es, wenn das vermeintlich Unverrückbare in Bewegung gerät?“, stellt Sarow in den Raum.
Damit will er auch eine politische Dimension ansprechen: „Das Haus gilt vielerorts als höchstes Gut. In Kriegsgebieten wie der Ukraine oder Gaza zeigt sich, wie eng Heimat und Identität daran geknüpft sind – und wie fragil dieses Gefühl sein kann“, sagt der Architekt.
Die Idee der „Magenta-Häuser“ entstand in einer ehemaligen Bahnbaracke in Pforzheim – der sogenannten Factory. Dieses langgestreckte Gebäude diente Sarow als Produktionsstätte und zugleich als Bild: „Wie ein überdimensionaler Drucker, aus dem Objekte herausgepresst werden, entstand dort die erste Serie der Magenta-Häuser“, sagt der Künstler. Auch die Farbwahl verweist auf den Druckprozess, bei dem Magenta eine der Grundfarben darstellt. Maße und Winkel der Häuser greifen die Proportionen der Baracke auf, sodass die Factory bis heute als Ursprung und Symbol für die kleinen Häuser gilt.
Historie trifft Moderne mitten in der Stadt
Auch der erste Ort der Installation sei bewusst gewählt worden: Vor 25 Jahren schloss Sarow sein Architekturstudium in Stuttgart ab. Zum Jubiläum präsentiert er nun den Auftakt seiner „Exkursion“ am Schlossplatz. Der Kontrast zwischen Königsbau und Kunstmuseum ist dabei Teil der Inszenierung: Historie trifft Moderne, Monumentalität trifft auf spielerische Farbigkeit. Schon am ersten Ausstellungstag entwickelte sich die Arbeit zum Publikumsmagneten. „Menschen bleiben stehen, fotografieren, machen Selfies“, berichtet Sarow, der in dieser Woche selbst vor Ort ist.
Genehmigt wurde die Installation laut Sarow von der Stadt Stuttgart. Da sich die Installation nicht direkt auf dem Schlossplatz befindet, gehöre die Ausstellungsfläche der Stadt. Die Planung der Ausstellung in Stuttgart hat den Architekten ein halbes Jahr in Anspruch genommen. „Andere meiner Projekte brauchen aber zwei bis drei Jahre Vorplanung“, sagt er.
Andreas Sarow, 1974 in Pforzheim geboren, studierte Architektur in Stuttgart und arbeitete als Dipl.-Ing. (FH). Heute schafft er temporäre Kunstinstallationen, die Stadt, Gesellschaft und Fragen zu Wohnen, Heimat und Glück kritisch beleuchten.
Die Installation wandert weiter: Aber Wohin?
Die Installation ist jedoch nur temporär. Nach wenigen Tagen werden die „Magenta-Häuser“ wieder verladen und verschwinden – um in einer anderen Stadt erneut aufzutauchen. Geplant sind weitere Stationen, möglicherweise in Partnerstädten von Stuttgart oder Kunstmetropolen wie Köln. Wo genau es hingeht, bleibt vorerst offen.