An der Kundgebung nahmen laut Polizei bis zu 150 Personen teil, der Veranstalter schätzt die Zahl auf bis zu 300. Foto: Sebastian Steegmüller

Nach der Zerstörung zweier Pride-Fahnen ist am Freitagabend vor dem Cannstatter Bahnhof gegen Hass und Gewalt demonstriert worden. Sorge bereitet die Zunahme queerfeindlicher Angriffe.

Zweimal ist das Kulturzentrum in Bad Cannstatt in den vergangenen Wochen Ziel mutmaßlich rechter Angriffe geworden. Sowohl am Samstag, 26. April, als auch in der Nacht auf Montag, 26. Mai, kletterten Unbekannte an der Fassade der ehemaligen Schwaben-Bräu-Passage hoch, stiegen auf den Balkon des Sunny High Clubs und rissen dort jeweils eine Regenbogenflagge herunter. Nicht, um anschließend mit dem Diebesgut die Flucht zu ergreifen, sondern um das Zeichen für Toleranz und Akzeptanz noch auf dem Bahnhofsvorplatz zu zerstören. Die erste Flagge wurde auf dem Gehweg in der Eisenbahnstraße vor mehreren Augenzeugen zerschnitten, die zweite angezündet. Der polizeiliche Staatsschutz, der bei politisch motivierten Straftaten eingeschaltet wird, hat die Ermittlungen übernommen.

Vorfälle erreichen neue Qualität

Um ein Zeichen gegen Hetze und Gewalt zu setzten, fand am Freitagabend auf dem Bahnhofsvorplatz eine Kundgebung statt. „Solidarität mit dem Prisma nach den rechten Angriffen“, lautete das Motto. Die Beiträge von Stuttgart gegen Rechts, SoliNetz, Migrantifa Stuttgart, dem Critical Pride Bündnis und dem Sunny High Club hatten denselben Tenor: „In Bad Cannstatt ist kein Platz für queerfeindliche Angriffe. Wenn sich die gesamte Gesellschaft nach rechts entwickelt, bewegen wir uns nach links.“ Zugleich sei man besorgt, dass das Ausmaß zunehmen würde und die Vorfälle eine neue Qualität erreichen würden. Man müsse zeigen, dass man stärker als der Hass sei und lauter als die Hetze.

„Wir müssen ein Zeichen gegen rechts setzen“, sagte Mara Busch, Sprecherin des soziokulturellen Zentrums. „Durch Parteien wie die AfD fühlen sich Rechte in ihren Forderungen gestärkt. Jetzt ist es wichtig, dass wir politisch nicht neutral bleiben, sondern auf die Straße gehen, dass wir etwas dagegen machen, damit genau solche Orte wie das Prisma erhalten bleiben. Für uns war es wichtig, Aufmerksamkeit zu schaffen und gleichzeitig zu merken, dass wir nicht alleine sind“, so die 28-Jährige. „Zwar wurden wir angegriffen, aber es stehen ganz viele Leute hinter uns. Wir führen den Kampf gegen Nazis alle zusammen.“

Neue Flagge schwer erreichbar

Im Vorfeld der knapp einstündigen Kundgebung hat der Veranstalter mit 200 Personen gerechnet, vor Ort dann bis zu 300 gezählt. Die Polizei sprach von 120 bis 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Höhepunkt war zum Abschluss das Hissen der neuen Regenbogenflagge – 1,80 Meter hoch und drei Meter breit. Es soll sich um die größte Pride-Fahne halten, die derzeit erhältlich ist. Und auch an den Diebstahlschutz wurde gedacht. „Wir haben sie deutlich höher gehängt. So ist sie vom Balkon aus nicht mehr ohne Weiteres zu erreichen“, so die Prisma-Sprecherin nach Abschluss der Kundgebung.