Tausende Griechen haben sich am Freitagabend auf dem Schlossplatz in Stuttgart versammelt. Foto: /Lichtgut/Ferdinando Iannone

Ein Zugunglück vor zwei Jahren wird zum nationalen Albtraum der Griechen, ein Beispiel für Politikversagen. Zum zweiten Jahrestag kommen tausende Griechen zu einer Kundgebung auf den Schlossplatz.

Mit Worten allein ist kaum zu beschreiben, was ein Zugunglück vor zwei Jahren auf der Strecke zwischen Athen und Thessaloniki bei der griechischen Bevölkerung bis heute an Wut und Trauer auslöst. Sowohl bei den Griechen in ihrem Heimatland wie bei jenen, die hier leben. Bei der Frontalkollision zwischen einem Güter- und einem Personenzug am 28. Februar 2023 starben 57 Menschen.

Zum zweiten Jahrestag dieses Unglücks sind viele tausend Griechen nach Stuttgart auf den Schlossplatz gekommen. Nicht nur der Platz war voll besetzt, auch die Treppe neben dem Kunstmuseum, sodass es Flanierende schwer hatten, durchzukommen. Was auf dem Schlossplatz geredet wurde, wurde sehr lebendig und spontan aufgenommen von den Demonstrierenden.

Griechen werfen Politik in der Heimat Versagen vor

Das Zugunglück wird längst als ein Versagen der Politik wahrgenommen. Von einem Verbrechen, von Vertuschungsversuchen ist da die Rede. Die Ursache ist noch immer nicht geklärt. Und es gibt Hinweise, dass es längst nicht so viele Tote hätte geben müssen.

Diogenis Triantafyllidis, Vorstandsvorsitzender der Griechischen Gemeinde Stuttgart, hatte noch vor der Kundgebung erklärt, dass er schwer einschätzen könne, wie viele Griechen auf den Schlossplatz kommen. Die Menge wird ihn überrascht haben. Selbst mancher Stuttgart-21-Demonstrierender dürfte lange nachgedacht haben, welcher Anlass das letzte Mal derart viele Menschen an den Schlossplatz gelockt hatte – von der Europameisterschaft 2024 einmal abgesehen.

Namen der Toten werden verlesen

Denn auch ein Sprecher vom Aktionsbündnis Stuttgart 21 war auf der Rednerliste. Er erinnerte an frühere große Zugunglücke in Deutschland und Österreich, an den mangelnden Aufklärungswillen. Und natürlich war auch der neue Bahnhof ein Thema. Solch ein Unglück konnte dort bisher natürlich noch nicht geschehen, dafür nannte er viele unrühmliche Beispiele für den nachlässigen Umgang mit Sicherheits- und Brandschutzbestimmungen.

Die Griechen auf dem Schlossplatz hatten aber vor allem das Zugunglück vor zwei Jahren im Fokus. Und bei Reden darüber hörten alle Generationen genau zu, darunter viele Jugendliche, die die Versäumnisse der Politiker anprangerten. Unter sehr lebhafter Anteilnahme wurden die Namen der Toten einzeln vorgetragen. Insbesondere von der Treppe neben dem Kunstmuseum bildeten sich spontane Protestchöre, auf dem Schlossplatz selbst organisierten sich junge Frauen für Protestrufe. Bei allen Beteiligten überwog an diesem Abend ein Gefühl: die Wut.