Ein Plattenladen ganz nach ihrem Geschmack: Claudia Roth in Stuttgart Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Die neue Kulturstaatssekretärin Claudia Roth wollte als erstes Baden-Württemberg besuchen – weil sie überzeugt ist: „Hier hat man Maßstäbe gesetzt“.

Stuttgart - Nur wenige Tage nach ihrer Amtsübernahme ist Claudia Roth zu ihrer Antrittsreise aufgebrochen. Die erste Station der neuen Kulturstaatsministerin war Stuttgart, wo Roth das Linden-Museum und im Anschluss mit dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in der Oper Wagners „Das Rheingold“ besuchte. Außerdem stand auf ihrem Programm der Plattenladen „Second Hand Records“ – „ein wahnsinnig toller Laden mit Musik aus allen Regionen der Welt“, sagte Roth begeistert. „Wer glaubt, Platten sind out, ist von gestern.“

Das Linden-Museum hält die Ministerin für herausragend

Dass die Kulturstaatsministerin als erstes Baden-Württemberg besuchen wollte, liege daran, dass man hier „Maßstäbe gesetzt“ habe. Denn Hauptthema auf Roths Agenda ist der Kolonialismusund die noch längst nicht abgeschlossene Aufarbeitung der Herkunft von Objekten, die während der Kolonialzeit oft brutal erbeutet wurden und sich bis heute in den ethnologischen Museen befinden. Das Linden-Museum, so Claudia Roth, sei eines der bedeutendsten Häuser in ganz Europa und beispielhaft im Umgang mit diesem schwierigen Erbe. „Sie sind herausragend, was Provenienzforschung angeht“, sagte Roth in Richtung der Ministerin Theresia Bauer, aber auch zu Inés de Castro, der Direktorin des Linden-Museums.

Die koloniale Vergangenheit ist laut Roth noch ein weißer Fleck

Claudia Roth sieht zwar einige Fortschritte bei der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit, aber in der Gesellschaft existiere diesbezüglich noch immer „ein weißer Fleck“, glaubt sie. Die Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit habe auch „mit uns selbst zu tun“, meint sie und hofft, dass die Erinnerungskultur ermögliche, auch im weltweiten Miteinander der Menschen „ein anderes Verhältnis zueinander zu bekommen und uns anders zu begegnen“.

Nicht von oben durchregieren

Ihre neue Aufgabe als Kulturstaatsministerin sei „unglaublich herausfordernd, aber auch spannend“, sagte Claudia Roth. Sie komme vom Theater und aus dem Musikgeschäft, habe aber immer auch für eine starke Demokratie gekämpft. Diesen Einsatz für Demokratie will sie nun direkt mit der Kultur verknüpfen. Sie verstehe ihre Arbeit aber auch „als Aufbruch in die Wirklichkeit“, weshalb für sie neben den Themen Erinnerungskultur und Dekolonialisierung auch Diversity und Nachhaltigkeit wichtig seien. Im föderalen Kultursystem sei es wichtig, dass man zusammenarbeite, so die Kulturstaatsministerin, die versprach, dass „mitnichten etwas von oben ins vermeintliche Unten delegiert wird“.

Kultur ist Staatsziel

Um die Zukunft des Kulturbetriebs macht Claudia Roth sich keine Sorgen. Corona habe schließlich gezeigt, „was wir verlieren würden, wenn es die Orte nicht mehr gäbe“. Sie ist sogar überzeugt davon, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Kunst und Kultur während der Pandemie gestiegen sei, selbst wenn das Kulturpublikum während dieser Zeit deutlich zurückgegangen sei. Sobald die Sicherheit wiederhergestellt sei, würden die Menschen die Kultur wieder wie ein „Schwamm“ aufsaugen. Unabhängig davon sei Kultur aber ein Staatsziel. „Das ist auch eine Verantwortung, die damit übernommen wird“, sagte Roth. Deshalb müsse man alles dafür tun, dass die Existenzen für Künstlerinnen und Künstlern wie auch von Kultureinrichtungen geschützt würden.