In der Galerie Wiedmann gibt es besondere Graphitarbeiten von Herbert Stattler zu sehen. Foto: Iris Frey

In der Galerie Wiedmann zeigt der Berliner Künstler Herbert Stattler besondere Graphitarbeiten. Getipptes und gefertigte Muster Freihand perfekt gezeichnet.

Nicht immer muss es die dicke Ölfarbe oder die bunte Aquarellfarbe sein, aus der Kunst geschaffen wird. Es kann auch der spitze Bleistift sein, der tiefe Eindrücke hinterlässt. Wer die Ausstellung mit den Kunstwerken von Herbert Stattler in der Galerie Wiedmann anschaut, darf staunen: Die 18 Bilder, die er in zweieinhalb Jahren geschaffen hat und auf den ersten Blick Muster von Spitzenwaren zeigen, sind nicht etwa gedruckt, sondern allesamt gezeichnet. In unendlich vielen Stunden. Freihand, akkurat. Dabei bleibt es nicht nur bei der Wiedergabe der Muster, auch das Papier, der Untergrund wird entsprechend zeichnerisch bearbeitet. Der gebürtige Wiener Künstler, der in Berlin lebt, hat sich für seine Bilder mit Mustern und Dokumenten der einstigen Stuttgarter Spitzenwarenfabrik Oberdorff und Straub in seiner Serie von Graphitzeichnungen auseinandergesetzt.

Mustervorlage sind Filetarbeiten

Ausgangspunkt sind die Mustervorlagen der handgefertigten Spitzenwaren, so genannte Filetarbeiten. Sie waren auf dünnem Transparentpapier mit Tusche aufgetragen worden und bildeten die Vorlage für die Handarbeiterinnen zwischen 1906 und 1956. In dem Unternehmen in der Reinsburgstraße im Stuttgarter Westen haben bis zu zehn, 15 Designer gearbeitet. Dort saßen auch Logistik und Vertrieb mit Vertretern, die in ganz Europa unterwegs waren. Spitzenwaren kennt heute kaum einer mehr. Dabei war es eine unglaublich zeitaufwändige Handarbeit, die Frauen damals herstellten. Das war es auch, was den Künstler gereizt hat, diesem nachzuspüren und die viele Zeit Wert zu schätzen, die die Frauen damals hier hineingesteckt haben, als die die Filetarbeiten hergestellt haben: Zierdecken für Couchtische und Überwürfe für Ehebetten als Mitgift. Die Arbeiten wurden damals aus feinem Garn hergestellt. Seine Werke sind nun „der Versuch einer Wertschätzung“ für die Arbeit der Frauen.

Stilgeschichte in den Mustern entdeckt

Das hat Stattler beeindruckt, als er in Tübingen im Stadtmuseum die Enkelin von Geschäftsführer Straub traf, Barbara Hafner, die ihn nach Leinfelden-Echterdingen einlud, um ihm da die Tuscheblätter mit Mustern, Musterkoffer und Original-Filetarbeiten der Firma zu zeigen. Stattler entdeckte in den Mustern Stilgeschichte, Barock, Konstruktivismus und Antike.

Firmenkorrespondenz wird noch weiter erforscht

Doch nicht nur das, auch Firmenkorrespondenzen hat der Künstler in Ausschnitten „lebensecht“ mit seinem Bleistiften wieder erstehen lassen. Und dabei auch die Inhalte studiert, auch im Wirtschaftsarchiv der Universität Hohenheim. Derzeit befindet er sich in der Halbzeit beim künstlerischen Arbeiten und inhaltlichen Erforschen. Er entdeckte Dokumente über inflationäre Portoerhöhungen von 1922 zwei Mark, auf 100 Mark im Jahr 1923 dann im selben Jahr auf 50 Milliarden Mark. So wird er noch einiges zu Tage fördern, Zeit- und Firmengeschichte mit Weltwirtschaftskrise, tief greifender Wirtschaftspolitik zwischen Erstem Weltkrieg bis zur Nachkriegszeit 1956.

Stattler stellt seine Kunst international aus

Der Künstler, der ausgebildeter Tischler und studierter Architekt ist, international in Gruppen und einzeln ausstellt und auch auf Buchpublikationen blickt, lässt den Betrachter an seiner Faszination teilhaben von der Perfektion der Linien, Buchstaben, Ornamente und besonderen Geschichte des Unternehmens. Die Ausstellung ist noch bis zum 5. November in der Galerie Wiedmann, Tuchmachergsse 6, zu sehen. Weitere Infos unter www.galeriewiedmann.de.