Zwei, die sich gut verstehen: Kugelstoßer Niko Kappel und VfB-Präsident Claus Vogt. Foto: Baumann

Niko Kappel ist nicht nur Paralympics-Sieger und Weltrekordhalter, sondern auch eine herausragende Persönlichkeit – weshalb der Wechsel des kleinwüchsigen Kugelstoßers perfekt zur Strategie von Präsident Claus Vogt passt.

Stuttgart - Alles war wie so oft, wenn der VfB Stuttgart einen prominenten Neuzugang präsentiert. Ein paar launige Worte des Präsidenten, Vertragsunterschrift vor laufenden Kameras, Fotos mit dem neuen Trikot, gefolgt vom Satz, den Sportler so gerne sagen: „Ich bin jetzt endlich bei meinem Herzensclub!“ Und trotzdem gab es auch kleine Unterschiede.

Denn der Fußball-Bundesligist hat am Donnerstag nicht etwa einen neuen Torjäger, Spielmacher oder Verteidiger vorgestellt. Sondern einen Athleten, der mehr wichtige Titel gewonnen hat als jeder Kicker im Kader. Niko Kappel (25/1,40 m) ist Paralympics-Sieger 2016, Weltmeister 2017, Vize-Weltmeister 2015 und 2019, Weltrekordhalter im Kugelstoßen der Kleinwüchsigen. „Gerne wäre ich ein richtig guter Fußballer geworden, doch leider hat es an der Kopfballstärke gehapert“, sagt der Mann, den nicht nur stattliche Muskelberge auszeichnen, sondern auch ein großartiger Humor. „Umso mehr freue ich mich, künftig das Trikot mit dem Brustring zu tragen.“ Es ist eine Freude, die Claus Vogt teilt.

„Kappel wird ein Gesicht des VfB“

Der VfB-Präsident kennt Niko Kappel schon länger, im Wahlkampf vor einem Jahr unterstützte der Kugelstoßer den Unternehmer aus Böblingen. Eines der Ziele von Vogt ist es seither, die Abteilungen neben dem Fußball zu fördern. Der Wechsel von Niko Kappel, der zuletzt vier Jahre für den VfL Sindelfingen startete, passt perfekt in diese Strategie. „Er verkörpert genau die Werte, für die der VfB steht: Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit, Offenheit, Authentizität“, sagt Vogt, „Niko Kappel ist nicht nur ein toller Athlet, sondern auch ein klasse Mensch. Er wird ein Gesicht des VfB – weit über die Leichtathletik hinaus.“ Ohne dabei die eigenen sportlichen Ziele aus den Augen zu verlieren.

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PodCannstatt by MeinVfB · Episode 94 | #RRNDSTRT [feat. Niko Kappel]

Klar, Niko Kappel ist bekennender VfB-Fan. Einst lag ein Trikot von Kevin Kuranyi unterm Weihnachtsbaum, zum 16. Geburtstag bekam er von seinen Eltern eine Vereinsmitgliedschaft geschenkt. Doch es gibt in seinem Sportler-Leben noch Wichtigeres. Insofern ist er dankbar, dass ihn der VfB finanziell unterstützt, und dass er auch die Möglichkeiten des Vereins im Reha-Bereich nutzen kann, sollte es denn mal nötig sein. Ansonsten aber wird er sich weiterhin in den Strukturen bewegen, die er kennt. In denen er zu einem erfolgreichen Athleten wurde. Und die ihn auch durch die Corona-Pandemie getragen haben. Vom Anfang abgesehen.

Hanteln im Keller

Mitte März flog Niko Kappel aus einem Trainingslager in der Türkei zurück – und landete im Lockdown. Alle Trainingsstätten waren zu, weshalb er sich daran machte, daheim in Welzheim möglichst rasch den mit Kartons vollgestopften Keller auszuräumen. Er kaufte sich Hanteln und Gewichte, richtete sich in dem fensterlosen Raum ein kleines Fitnessstudio ein, trainierte jeden Tag zweieinhalb Stunden. „Jede Krise hat auch positive Aspekte“, sagt er, „für mich war es der Erkenntnisgewinn, dass ich enorm privilegiert bin, wenn alles normal läuft.“

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Das war ein paar Wochen später der Fall, als Profis wieder trainieren durften – zwar mit Einschränkungen, aber doch im gewohnten Umfang. Nico Kappel ist von seinem Arbeitgeber, einer Bank, für den Sport freigestellt, alle Sponsoren hielten ihre Zusagen ein. Deshalb konnte er sich voll auf seine Aufgabe konzentrieren: weit stoßen. Oder besser: weiter zu stoßen als je zuvor. Am 5. Juli verbesserte er in Bad Boll den Weltrekord auf 14,30 Meter. Heute sagt er: „Ich bin ein Typ, der immer versucht, das Beste aus der jeweiligen Situation zu machen. Deshalb war 2020 für mich kein verlorenes Jahr.“ Auch wenn der Höhepunkt verschoben wurde.

Paralympics notfalls auch ohne Zuschauer

Niko Kappel war einer der ersten Athleten in Deutschland, die sich für eine Verlegung der Olympischen und Paralympischen Sommerspiele in Tokio auf 2021 stark gemacht haben. Um möglichst schnell für Klarheit zu sorgen. Um allen Athleten die selben Voraussetzungen zu bieten. Und um den Organisatoren in Japan Luft zu verschaffen. Nun hofft er, dass die Rechnung aufgeht. „Für den nächsten Sommer bin ich sehr zuversichtlich, auch wenn ich mir noch nicht genau vorstellen kann, wie alles ablaufen wird“, sagt der Paralympics-Sieger von Rio 2016, „die Spiele sind für einen Athleten das absolut Größte.“ So groß, dass er zur Not auch eine Austragung ohne Zuschauer befürworten würde: „Wenn’s die Corona-Lage nicht zulässt, muss man eben versuchen, trotzdem das Beste herauszuholen.“ Auch aus dem eigenen Körper.

Vor vier Jahren gewann Niko Kappel in Brasilien die Goldmedaille mit einem Zentimeter Vorsprung. Diesen Triumph würde er 2021 in Japan liebend gerne wiederholen, doch erneut dürfte es ein paar Konkurrenten geben, die nahezu gleichauf mit ihm liegen. Umso wichtiger ist aus seiner Sicht die richtige Einstellung. „Im Sport wird immer mehr verlangt“, sagt Niko Kappel, „da muss man als Athlet mitwachsen.“

Bisher ist ihm das herausragend gelungen.