Håkan Nesser wünscht sich, die Krimiflut möge etwas abebben. Foto: dpa/Arne Dedert

Håkan Nesser hauchte zuletzt gleich zwei seiner Krimi-Helden neues Leben ein. Zum 70. Geburtstag denkt der Bestseller-Autor selbst noch lange nicht ans Aufhören. Seinen Ehrentag verbringt er ganz weit von seiner schwedischen Heimat entfernt.

Stockholm - Alter Schwede? Diesen Ausdruck hat Håkan Nessernach eigenen Angaben noch nie gehört. Aber ja, er sehe ein, dass er älter geworden sei, sagt der schwedische Bestseller-Autor vor seinem 70. Geburtstag am 21. Februar 2020. Auch wenn er kein großer Freund von Geburtstagsfeiern sei, sei ihm das immer noch lieber als die triste Alternative. „Die Alternative zum Geburtstag haben ist ja der Tod“, sagt Nesser. Also feiert er - zwar nicht groß, aber er feiert, und zwar weit weg von zu Hause: „Am 21. Februar bin ich in Südafrika. Da sind dann nur ich, meine Frau und ein paar gute Freunde auf einem Weingut.“

Hinter dem Krimi-Autor liegen nicht nur sieben Lebensjahrzehnte, sondern auch drei gute Dekaden in der Welt der spannenden und tiefgründigen Bücher. Ein Leben ohne Romane ist für Nesser bis heute undenkbar.

„Es hat sich gezeigt, dass ich einfach nicht aufhören kann, Bücher zu schreiben. Ich kann ja nichts anderes“, sagt der Bestseller-Autor und lacht ins Telefon hinein, während er über sich und sein Leben auf der schwedischen Insel Gotland spricht. „Wir leben hier auf dem Land. Ich kann mich um die Pferde kümmern und das Landleben leben. Aber man muss ja irgendetwas machen.“

Seinen Fans dürfte das recht sein. Unzählige Menschen in aller Welt, darunter Millionen Leser in Deutschland, hat der mittelalte Schwede gemeinsam mit Weggefährten wie Henning Mankell für den Schweden-Krimi begeistert. Rund 35 Nesser-Romane stehen bislang zu Buche, angefangen bei „Koreografen“ (1988) über „Kim Novak badete nie im See von Genezareth“ (1998) und die separaten Erfolgsreihen über die Kommissare Van Veeteren und Gunnar Barbarotti bis hin zum 2019 auf Deutsch erschienenen „Verein der Linkshänder“, in dem Nesser Van Veeteren und Barbarotti nach jeweils langem Ruhestand gleich im Doppelpack neue Fälle vor die fiktive Ermittler-Nase gesetzt hat.

Immer wieder etwas Neues erschaffen, das treibe ihn an, sagt Nesser. Das Alter sei bei all dem relativ egal - entscheidend sei der Kopf. „Wenn man schreibt, spielt es in gewisser Weise keine Rolle, ob man gesund oder krank, ob man stark oder schwach ist. Man kann fürs Schreiben auch im Krankenhaus liegen. Nur der Kopf muss klar sein.“

Der frühere Lehrer, der das Klassenzimmer erst mit 48 Jahren endgültig für ein Leben als Schriftsteller eintauschte, ist kein Bumm-Bumm-Schreiber, der seine Protagonisten von einer spektakulären Verfolgungsjagd in die nächste eilen lässt. Seine Krimis verknüpfen Spannung nicht mit unbändiger Action, sondern mit etwas anderem: mit psychologischer Tiefe.

Auf dem Buchmarkt haben viele Skandinavier versucht, in die Fußstapfen von Nesser, Mankell oder auch Stieg Larsson zu treten. Herausgekommen ist eine Flut an Skandinavien-Krimis, von der sich Nesser wünscht, dass sie wieder abnimmt. „Es werden viel zu viele Bücher geschrieben“, sagt der Krimimeister. „Vor ein paar Jahren wurden in Schweden rund 150 Kriminalromane herausgegeben. Ich glaube, zehn davon waren gut, 20 waren lesenswert und den Rest konnte man vergessen.“ Es sei unheimlich einfach, einen schlechten Kriminalroman zu schreiben - und eben sehr schwer, einen guten zustandezubringen.

Für ihn selbst muss es nicht bis in alle Ewigkeit weitergehen. Manche Autoren, die er gelesen habe, seien lange Zeit großartig gewesen, hätten dann aber im hohen Alter abgebaut. Eine Ausnahme sei da der britische Großmeister John le Carré. „Er ist knapp 90 und schreibt noch immer unglaublich gute Bücher“, sagt Nesser. „Viele andere Schriftsteller schreiben da ein, zwei Bücher zu viel. Ich hoffe, dass ich im Gegenteil dazu rechtzeitig aufhöre.“