Griechische Kriegsschiffe nehmen an einer Militärübung im östlichen Mittelmeer teil. Foto: dpa/Uncredited

Im aktuellen Streit mit Athen um Gasfelder stellen türkische Regierungspolitiker die Zugehörigkeit von Inseln im Mittelmeer zu Griechenland in Frage. Auch Rhodos und Kos gehören dazu.

Ankara/Athen - Markige Worte gehören in der Türkei zum 30. August. Der Feiertag zum Gedenken an einen historischen Sieg über Griechenland vor fast hundert Jahren ist für türkische Politiker und Medien traditionell Anlass, die Kampfbereitschaft ihres Landes herauszustreichen. Diesmal fiel die Kraftmeierei noch wesentlich aggressiver aus als sonst. Im aktuellen Streit mit Athen stellten Regierungspolitiker die Zugehörigkeit von Inseln in der Ägäis und im Mittelmeer zu Griechenland in Frage. Gleichzeitig begann die Türkei mit einem neuen Seemanöver vor Zypern und erneuerte eine Kriegsdrohung gegen Griechenland.

In einer Schlacht am 30. August 1922 schlug die türkische Armee die griechischen Streitkräfte bei Dumlupinar im Westen Anatoliens – es war der Anfang vom Ende der griechischen Besatzung der heutigen Westtürkei, die nach dem Ersten Weltkrieg begonnen hatte. Der spätere Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk befehligte die türkischen Truppen in der Schlacht und gab den Soldaten nach dem Sieg den Befehl, die abziehenden Griechen bis zum Mittelmeer zu verfolgen.

Die Tränen der Küstenbewohner

Heute wollen einige türkische Politiker weiter gehen als nur bis zur Küste. Devlet Bahceli, Chef der rechtsnationalistischen Partei MHP und Koalitionspartner von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, forderte die Rückgabe von zwölf griechischen Dodekanes-Inseln an die Türkei. Italien hatte die Inseln, darunter Rhodos und Kos, Anfang des 20. Jahrhunderts vom Osmanischen Reich erobert; die Türkei erkannte die italienischen Ansprüche im Jahr 1923 offiziell an. Nach dem Zweiten Weltkrieg übergab Italien die Inseln an Griechenland.

Die Inseln seien den Türken „widerrechtlich“ abgenommen worden, schimpfte Bahceli. „Der Status der Zwölf Inseln muss neu bewertet werden“, verlangte der Rechtsnationalist.

Auch Vizepräsident Fuat Oktay will die Zugehörigkeit einiger Inseln zum Nachbarn und NATO-Partner nicht hinnehmen. Türkische Bewohner von Küstenstädten an Ägäis und Mittelmeer müssten beim Anblick naher griechischer Inseln wie Chios und Kastellorizo bitterlich weinen, sagte Oktay der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. „Sollen Staat und Nation der türkischen Republik das hinnehmen?“ Sein Land werde die Karte, die griechische Ansprüche in Ägäis und Mittelmeer zeige, „zerreißen“ und deren Befürworter falls nötig „zerquetschen“. Erdogan selbst erklärte, die Türkei werde sich im östlichen Mittelmeer „der Sprache von Drohung, Terror und Erpressung nicht beugen“.

Nationalistische Sonntagsreden

Der Präsident hatte bereits vor einigen Jahren neue Gespräche über den Lausanner Vertrag von 1923 gefordert, in dem die Grenzen der modernen Türkei gezogen worden waren. Türkische Nationalisten wie Bahceli wollen auch die Rückgabe anderer ehemaliger osmanischer Gebiete durchsetzen. So sprach Bahceli in den vergangenen Jahren davon, die ölreichen Städte Mossul und Kirkuk im Irak zu türkischen Provinzen zu erklären.

Bisher bildeten solche revisionistischen Positionen den Stoff für nationalistische Sonntagsreden, hatten aber keine Folgen für die Politik der Türkei. Nun werden sie Teil des eskalierenden Streits um Gebietsansprüche und Gasvorräte in Ägäis und Mittelmeer. Bahceli hat Einfluss auf die Regierungspolitik, weil Erdogan im Parlament auf die MHP als Mehrheitsbeschafferin angewiesen ist.

Ankara wirft Griechenland vor, die Türkei mit überzogenen Ansprüchen an der eigenen Küste einschnüren zu wollen. Türkische Politiker sehen ihren Verdacht bestätigt, seitdem Athen vorige Woche entschied, die Hoheitszonen der Inseln an seiner Westküste von sechs auf zwölf Seemeilen auszudehnen; dies behält sich Griechenland auch für die Inseln in der Ägäis vor. Mit einem solchen Schritt würde die Ägäis praktisch zu einem griechischen Meer, sagt Ankara. Das türkische Parlament hatte bereits 1995 festgestellt, die Einführung einer griechischen Zwölf-Meilen-Zone in der Ägäis wäre ein Kriegsgrund. Oktay und Außenminister Mevlüt Cavusoglu bekräftigten nun, diese Drohung sei weiterhin in Kraft.

„Aufruf zum Kreuzzug“

Griechische und türkische Militärs veranstalten seit Wochen Seemanöver in umstrittenen Teilen des Mittelmeeres. Die Türkei gab am Samstag den Beginn von Schießübungen nördlich von Zypern bekannt. Ankara setzt zudem die Suche nach Erdgas unter dem Meeresboden fort. Die Drohung der EU mit Sanktionen hat bisher keine Wirkung gezeigt. Türkische Politiker werfen Europa vor, sich der griechischen Haltung kritiklos anzuschließen. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag gesagt hatte, die EU solle die griechischen Partner „unterstützen, wo sie Recht haben“, schimpfte Bahceli, die Kanzlerin habe zu einem „Kreuzzug“ gegen die Türkei aufgerufen.