Objekt ukrainischer Begierde: deutscher Schützenpanzer vom Typ Marder 1A3 beim Einsatz in Afghanistan. Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Geliefert wäre der deutsche Schützenpanzer innerhalb von Wochen, kampfbereit bedienen könnten die neun Soldaten das System aber erst im Spätherbst.

Dieser Schützenpanzer scheint ukrainischen Politikern und Diplomaten im Augenblick der Heilsbringer in der Abwehr russischer Angriffe zu sein: der Marder, ab 1959 in der Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall entwickelt, ungezählte Male nach- und aufgerüstet. Seit sieben Jahren ersetzt die Bundeswehr das Hauptwaffensystem der Panzergrenadiere schrittweise durch das Nachfolgemodell Puma. In der Ostukraine soll der Marder jetzt aber im Dnjepr-Tiefland zum Sieg gegen Putins Panzerkeile beitragen.

Was ist ein Marder?

Ausgestattet ist der Schützenpanzer mit einer 20-Millimeter-Bordmaschinenkanone (BMK), die wahlweise panzerbrechende oder Sprengmunition verschießen kann. Zudem ist er mit einem festinstallierten Maschinengewehr sowie dem Panzerabwehrsystem Mells ausgestattet, das vier Kilometer entfernte Panzer treffen und zerstören kann. Die Lenkrakete und ihr Abschussgerät allerdings muss der Kommandant des Panzers kurz vor dem Einsatz eigens außen am Turm aufbauen und abschießen. Ziele erfassen er und sein Richtschütze über ein Wärmebildgerät, das den Wärmeunterschied zwischen Fahrzeugen und Menschen und ihrer Umgebungstemperatur darstellt. Das Zusammenspiel von Kommandant, Richtschütze und Fahrer des 3,23 Meter hohen Panzers ist sehr anspruchsvoll und braucht intensive Ausbildung. So muss beispielsweise der Richtschütze mit den Augen an der Zieloptiken den Fahrer so dirigieren, dass dieser eine Stellung bezieht, aus der er mit der Maschinenkanone auch schießen kann. Der Marder hat insgesamt 1250 Schuss Munition für die BMK an Bord. Der 600 PS Motor beschleunigt den Panzer, in dem neun Soldaten einer Panzergrenadiergruppe Platz finden, auf der Straße auf 65 Kilometer pro Stunde.

Was tun Panzergrenadiere?

Panzergrenadiere kämpfen vom Schützenpanzer aus. Sechs der neun Grenadiere können diesen aber auch verlassen, um beispielsweise im Wald oder in Städten zu Fuß mit Unterstützung des Marders weiterzukämpfen. Drei Schützenpanzer bilden einen Zug, eine Kompanie besteht aus vier Zügen sowie zwei Panzern für den Kompaniechef und seinen Vertreter. Den Kampf zwischen zu Fuß kämpfenden Grenadieren und den Marder koordiniert der Zugführer, ein junger Offizier oder ein Hauptfeldwebel. Der Wechsel zwischen den Kampfweisen macht das Waffensystem komplex und anspruchsvoll.

Was sind die Nachteile des Marders?

Um eine Störung an der BMK zu beheben, muss der Schützenpanzer in Deckung gefahren werden. Der Kommandant muss aus dem Turm klettern und so den Panzerschutz verlassen, um Störungen an der Kanone oder dem installierten Maschinengewehr zu beheben. Zudem muss er die Panzerabwehrlenkrakete erst aufbauen, bevor er sie einsetzen kann. Das System schränkt dann den Gebrauch der BMK erheblich ein. Beide Verfahren erfordern eine intensive Ausbildung sowohl der Panzergrenadiergruppe wie auch des Zuges. In der Regel kämpfen Panzergrenadiere mit Kampfpanzern zusammen. Dieses Zusammenspiel muss ständig trainiert werden, weil die Kampfpanzer viel schneller und stärker gepanzert sind als die Schützenpanzer. In der Bundeswehr trainieren die Soldaten etwa ein Jahr lang, bis Grenadiere, das Waffensystem Marder und Kampfpanzer harmonieren und einsatzbereit sind.

Über welchen Schützenpanzer verfügt die ukrainische Armee?

Der in der Sowjetunion eingeführte Schützenpanzer vom Typ BMP wurde seit Ende der 1950er Jahre entwickelt. Heute wird vor allem der BMP der Modelle 2 und 3 im ukrainischen Heer verwendet. Der BMP-2 ist mit einer 30-Millimeter-Bordmaschinenkanone und einem Maschinengewehr ausgestattet. Der BMP-3 ist mit einer 100-Millimeter-Kanone gegen Kampfpanzer sowie einer 30-Millimeter-BMK zum Einsatz gegen leicht gepanzerte Ziele ausgerüstet. Zudem können beide Panzer Panzerabwehr-Lenkraketen verschießen. Der Schützenpanzer ist nur 2,05 bzw. 2,40 Meter hoch – und damit einen Meter niedriger als der Marder. Die Besatzung besteht bei beiden Typen aus zehn Soldaten, von denen sieben auch außerhalb des Panzers kämpfen können.

Warum kann man ukrainische Panzergrenadiere nicht einfach mit einem Marder ausstatten?

Vor allem die Höhe des Marders macht ein besonderes Training von Fahrer, Kommandant und Richtschütze notwendig. Zudem erfordert die in der Ukraine unbekannte Waffenanlage, die 20-mm-BMK, eine intensive Ausbildung. Erfahrene Panzergrenadiere wie der frühere Chefausbilder der Bundeswehr, General Walter Spindler, veranschlagten dafür im Gespräch mit unserer Zeitung selbst unter den besonderen Bedingungen des Ukraine-Krieges fünf bis sechs Monate. Zudem fehlen der Ukraine jede Struktur, das Waffensystem Marder zu warten, zu reparieren sowie mit Munition zu befüllen.

Was kann die Firma Rheinmetall tun?

Das Unternehmen kann der Ukraine in wenigen Wochen die geforderten 100 Schützenpanzer Marder liefern. Zudem kann sie – wie schon in Jordanien – mithilfe früherer Soldaten ukrainische Panzergrenadiere ausbilden, die Logistikketten für das System aufbauen. Aber: Auch das erfordert die von Spindler vorhergesagten fünf bis sechs Monate Zeit. Kampfbereit wären die deutschen Marder also frühestens im Spätherbst.