Ukrainische Flüchtlinge weinen bei ihrer Wiedervereinigung am Grenzübergang in Polen. Wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine sind Hunderttausende auf der Flucht. Foto: dpa/Visar Kryeziu

Die Europäische Union will den Menschen an der Grenze unbürokratisch Schutz gewähren

Brüssel - Wegen des Krieges in der Ukraine sind Hundertausende Menschen auf der Flucht. Angesichts des massenhaften Andrangs an den Grenzposten zu den angrenzenden Ländern der Europäischen Union trafen sich die Innenminister am Sonntag in Brüssel. Nach dem Krisengipfel hieß es von Seiten der EU-Kommission, dass zum ersten Mal die Regeln für den Fall eines „massenhaften Zustroms“ von Vertriebenen in Kraft gesetzt werden sollen.

Sie werde dazu beim nächsten Treffen der EU-Innenminister an diesem Donnerstag einen Vorschlag vorlegen, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Sonntag. Konkret könnte Vertriebenen aus der Ukraine dadurch ohne langes Asylverfahren unverzüglich vorübergehender Schutz mit bestimmten Mindeststandards gewährt werden.

Asylanträge sollen schnell bearbeitet werden

Die Richtlinie soll angewendet werden, wenn es möglicherweise so viele Asylanträge gibt, dass das Standardprozedere zu negativen Auswirkungen bei der Bearbeitung führen könnte. Dabei müssten gemeinsame Mindeststandards eingehalten werden. Dazu gehört etwa eine Arbeitserlaubnis sowie Zugang zu Sozialhilfe, medizinischer Versorgung, Bildung für Minderjährige und unter bestimmten Bedingungen auch die Möglichkeit zur Familienzusammenführung. Auch die freiwillige Umverteilung von Flüchtlingen in der EU ist möglich. Die Richtlinie ist eine Folge der Kriege in den 1990er Jahren im ehemaligen Jugoslawien.

Wegen des russischen Angriffs sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) etwa 368 000 Menschen auf der Flucht. Die Zahl basiere auf den Daten nationaler Behörden - und sie steige weiter, teilte das UNHCR am Sonntag über Twitter mit. Wie der polnische Grenzschutz mitteilte, kamen allein in Polen mehr als 200 000 Flüchtlinge seit Beginn des Ukraine-Kriegs an.

Deutschland will den Menschen rasch helfen

Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser unterstrich vor dem Treffen, dass es in der aktuellen Situation vor allem auf rasche Hilfe für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ankomme. „Für uns geht es jetzt vor allen Dingen darum, unbürokratische Lösungen zu finden, um die Menschen möglichst schnell in Sicherheit zu bringen“, sagte die SPD-Politikerin. Sie glaubt, dass sich die EU-Staaten schnell auf eine Lösung einigen werden, denn es „ist zum ersten Mal wieder Krieg in Europa. Und da wäre es natürlich ein sehr starkes Signal, wenn Europa sich heute auf diese humanitäre Aufnahme und möglichst unbürokratisch auch verständigt.“

Staaten sagen Aufnahme von Flüchtlingen zu

Unterstützung kam für das Auslösen der Richtlinie etwa von Frankreich, das derzeit den Vorsitz der EU-Staaten innehat, sowie von Belgien. Etliche Staaten zeigten zudem die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen und drangen auf EU-weite Solidarität. „Ich hoffe, dass wir in der Lage sein werden, gemeinsam Verantwortung für die Menschen zu übernehmen, die vor der russischen Aggression fliehen“, sagte der schwedische Innenminister Anders Ygeman. Johansson betonte jedoch, dass bislang kein an die Ukraine grenzender EU-Staat wie Polen oder Ungarn um die Umverteilung der Schutzsuchenden gebeten habe.