Diese beiden alten Leute haben das Grauen in Butscha überlebt. Nach dem Abzug der russischen Truppen herrscht nach der ersten Erleichterung große Trauer. Foto: dpa/Vadim Ghirda

Deutschland sperrt sich weiter vehement gegen ein Gas-Embargo und erntet dafür herbe Kritik

Die Europäische Union wird ein fünftes Paket an Sanktionen gegen Russland verabschieden. Noch in dieser Woche sollen die Strafmaßnahmen auf den Weg gebracht werden. Sie sind die Reaktion auf die Entdeckung hunderter toter Zivilisten im Kiewer Vorort Butscha. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte am Montag in Brüssel „auf das Schärfste die Gräueltaten, die russische Streitkräfte laut Berichten in einer Reihe von besetzten ukrainischen Städten begangen haben“. Sie müssten vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) aufgeklärt werden, schrieb er auf Twitter.

Zwist in der EU in Sachen Sanktionen

Meinungsverschiedenheiten innerhalb der EU gibt es allerdings darüber, wie weit die Sanktionen dieses Mal gehen sollten. Einigkeit besteht offenbar allein darüber, dass weitere Banken betroffen sein werden und auch die Konten von einiger russischen Oligarchen und anderen Einzelpersonen eingefroren werden sollen. Auch dürfte es neue Exportverbote für technische Geräte geben. Mehrere europäische Staaten wollen nun allerdings wesentlich weitergehen. Sie fordern, auch den Energiesektor nicht mehr auszunehmen. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron brachte Strafmaßnahmen gegen die russische Kohle- und Öl-Industrie ins Spiel.

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Berlin ist weiter gegen ein Gas-Embargo

Vor allem Deutschland sträubt sich aber gegen ein sofortiges Embargo russischer Energie. Nach Angaben eines Regierungssprechers in Berlin werde man in den kommenden Tagen mit den Verbündeten weitere Sanktionen gegen Russland absprechen. Der Sprecher wollte am Montag aber nicht auf die Frage eingehen, ob dazu auch die Energiebranche, also etwa ein Stopp der Lieferungen aus Russland von Gas, Öl und Kohle gehört. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums betonte, dass ein Gasembargo wirtschaftliche Folgen für Deutschland, vor allem für einige Regionen im Land habe, und man deshalb „besonnen handeln“ müsse. Hintergrund ist die mangelnde Anbindung etwa Süddeutschlands für die Belieferung von Flüssiggas.

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Herbe Kritik aus Polen an Berlin

Herbe Kritik an dieser Haltung kam am Montag aus Warschau. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte, die Bundesregierung bremse innerhalb der EU, wenn es um weitere Sanktionen gegen Moskau gehe. Der Premier appellierte deshalb an Kanzler Olaf Scholz (SPD), seine Haltung zu Russland zu überdenken. „Nicht die Stimmen der deutschen Unternehmen, der deutschen Milliardäre, die Sie jetzt wahrscheinlich von weiteren Maßnahmen abhalten, sollten heute in Berlin laut zu hören sein“, sagte der nationalkonservative Regierungschef. „Es ist die Stimme dieser unschuldigen Frauen und Kinder, die Stimme der Ermordeten, die von allen Deutschen und von allen deutschen Politikern gehört werden sollte.“

Balten kappen Gas-Leitung zu Russland

Unterdessen verkündeten die baltischen Staaten, dass sie den Import von Erdgas aus Russland eingestellt hätten. „Seit dem 1. April fließt kein russisches Erdgas mehr nach Lettland, Estland und Litauen“, sagte Uldis Bariss, Chef des lettischen Erdgasspeicher-Betreibers Conexus Baltic Grid. Der litauische Präsident Gitanas Nauseda rief die restlichen EU-Staaten auf Twitter auf, dem Beispiel zu folgen: „Wenn wir es können, kann es der Rest Europas auch!“ Sein Land habe vor Jahren Entscheidungen getroffen, „die es uns heute ermöglichen, ohne Schmerzen die Energie-Beziehungen mit dem Aggressor zu beenden“, fügte Nauseda hinzu.