Die deutsche Außenministerin Baerbock verkündet direkte Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Putin Foto: dpa/Markus Schreiber

Wegen des Überfalls auf die Ukraine verhängt die Union weitreichende Sanktionen gegen die Machthaber und viele Wirtschaftsbereiche. Deutschland stoppt zusätzlich die Garantien für deutsche Exporte nach Russland.

Brüssel - Die Europäische Union macht einem einmaligen Schritt. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine wird die EU die Vermögen von Russlands Präsident Wladimir Putin und dessen Außenminister Sergej Lawrow einfrieren. „Wir treffen das System Putin dort, wo es getroffen werden muss, in seinem Machtkern“, erklärte die deutsche Außenministern Annalena Baerbock am Freitag am Rande eines außerordentlichen Treffens mit ihren EU-Kollegen in Brüssel. Sie seinen dafür verantwortlich, dass in der Ukraine Menschen sterben, die Demokratie in Gefahr gebracht und das internationale Friedenssystem mit Füßen getreten werde.

„Das wird Russland ruinieren“

Die Außenministerin unterstrich wiederholt, dass die EU starke Sanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht habe. Die Antwort der Union auf die Invasion der Ukraine sei sehr klar, sagte Baerbock, „das wird Russland ruinieren“. Der Kritik, dass Russland vorerst nicht aus dem Swift-System für Finanztransaktionen ausgeschlossen wird, widersprach sie vehement. „Ich kann verstehen, dass die Emotionen im Moment hochkochen“, erklärte die Außenministerin. „Aber man muss auch in dieser Situation einen kühlen Kopf bewahren.“ Die EU müsse Sanktionen auf den Weg bringen, die „gezielt wirken und nicht nur groß klingen“. Würde Russland aus dem Swift-System fallen, könnten zum Beispiel humanitäre Projekte in Russland kaum mehr finanziert werden. Auch die wichtigen Überweisungen der einfachen Menschen in Richtung Russland seien nicht mehr möglich. Ziel sei es, erklärte Baerbock, mit den Sanktionen die Machthaber zu treffen, und das geschehe, wenn man die großen Banken direkt adressiert werden.

Maßnahmen gegen den Finanzsektor

Bereits bekannt sind Maßnahmen gegen den Finanzsektor. Die EU wird russische Banken von den EU-Finanzmärkten abschneiden. Auf der Sanktionsliste stehen nach einem inoffiziellen Papier die russischen Privatbanken Alfa Bank und Bank Otkritie. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte am Freitag, die Maßnahmen würden „Russlands Kreditkosten erhöhen, die Inflation ansteigen lassen und Russlands industrielle Basis allmählich aushöhlen“. Konkret sollen die Banken sich in der EU künftig kein Geld mehr ausleihen können und auch kein Geld mehr verleihen können. Auch die Refinanzierung von russischen Staatsunternehmen in der EU soll verhindert werden. Ihre Aktien sollen künftig nicht mehr in der EU gehandelt werden dürfen. Um zu verhindern, dass reiche Russen versuchen, Gelder in der EU in Sicherheit zu bringen, sind Anlagebeschränkungen geplant. Bereits in einem ersten Sanktionspaket vom Mittwoch war der Zugang von Banken zu den EU-Finanzmärkten eingeschränkt worden. Auch waren drei russische Finanzinstitute mit Strafmaßnahmen belegt worden.

Sanktionen gegen den Transportsektor

Geplant sind auch Sanktionen gegen den Transportsektor und ein Technologie-Embargo. Hier soll vor allem die russische Luftverkehrsbranche von der Versorgung mit Ersatzteilen und anderer Technik abgeschnitten werden. Auf der Sanktionsliste stehen die staatliche russische Eisenbahngesellschaft RZD, der Fahrzeughersteller Kamaz und der Schiffbauer USC. Mit diesen Maßnahmen könne mit relativ kleinem Aufwand riesige Wirkung erzielt werden, hieß es. Exportkontrollen für Hightech-Produkte und Software sollen es auch anderen russischen Schlüsselindustrien schwermachen, sich weiterzuentwickeln. „Wir werden Russlands wirtschaftliche Basis und ihre Fähigkeit zur Modernisierung schwächen“, sagte von der Leyen.

Sanktionen gegen den Energiesektor

Der Energiesektor ist ein besonders schwieriges Feld, was Sanktionen angeht. Die von Russland nach Deutschland führende Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 ist bereits auf Eis gelegt. Zu den neuen Maßnahmen im Energiesektor gehört ein Exportverbot für Ausrüstung und Technologie, die Russland für die Modernisierung seiner Ölraffinerien benötigt. Ein Exportverbot für Flugzeuge und Flugzeugteile für russische Fluggesellschaften würde ebenfalls „einen Schlüsselsektor der russischen Wirtschaft“ beeinträchtigen und das Reisen in dem riesigen Land erschweren, sagte von der Leyen. Schließlich soll Russlands Zugang zu Halbleitern und High-Tech-Produkten erschwert werden.

Der Erdgas fließt weiter

Ausfuhrverbote für zum Beispiel Erdgas waren zunächst jedoch nicht vorgesehen. Allerdings wird es in EU-Kreisen für möglich gehalten, dass Russland selbst die Versorgung der EU mit Erdgas einstellt. Die EU hängt bislang stark von russischen Gas-Importen ab. Der EU-Kommission zufolge importiert sie 90 Prozent des genutzten Gases, wovon etwa 40 Prozent aus Russland kommen. Wegen des Nord-Stream-2-Stopps drohte der ehemalige russische Regierungschef Dmitri Medwedew bereits mit einer Preisexplosion beim Gas. Von der Leyen machte jedoch klar, dass sie die Gasversorgung der EU für gesichert hält.

Keine Visa mehr für viele Russen

Neben Putin und Lawrow werden noch viele Hundert weitere Russen auf der Sanktionsliste stehen. Die Maßnahmen sollen sich gegen Russen richten, die bislang privilegierte Einreisemöglichkeiten in die EU hatten, etwa alle Abgeordneten der Duma. Dazu zählen aber auch Diplomaten und Geschäftsleute. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, die russische Führung werde einer nie da gewesener Isolation gegenüberstehen.

Berlin legt Hermes-Bürgschaften auf Eis

Deutschland wird zusätzlich zu den Maßnahmen der EU auch die Garantien für Exporte deutscher Firmen nach Russland und für Investitionen in dem Land stoppen. „Die Bewilligung von Hermes-Bürgschaften und Investitionsgarantien für Russland ist bis auf Weiteres ausgesetzt“, teilte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums mit. Dies sei nicht Teil der EU-Sanktionen gegen Russland, sondern sei von Deutschland nach Abstimmung zwischen den Ministerien beschlossen worden. Mit Hermes-Bürgschaften werden Ausfuhren deutscher Firmen in Länder abgesichert, in denen ein erhöhtes Risiko für einen Zahlungsausfall besteht.