Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will sein Land in die Europäische Union führen. Foto: AFP

Europaparlamentarier begrüßen den Wunsch, verweisen allerdings auf die hohen Hürden für einen Beitritt

Brüssel - In diesen Tagen spielt sich Geschichte im Zeitraffer ab. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine zeigt die EU eine noch nie dagewesene Geschlossenheit, Deutschland liefert Waffen an Kiew und die Ukraine stemmt sich erfolgreich gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner. Jeder Tag bringt eine neue Überraschung. Dazu zählt auch, dass sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für einen EU-Beitritt der Ukraine ausgesprochen hat. Auf die entsprechende Frage einer Reporterin des Senders Euronews sagte sie: „Im Laufe der Zeit gehören sie tatsächlich zu uns. Sie sind einer von uns und wir wollen sie drin haben.“ Zudem betonte Ursula von der Leyen, dass es bereits mehrere Bereiche der Zusammenarbeit gebe.

Der EU-Beitritt als Ziel in der Verfassung

Danach hat auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach eigenen Angaben bei einem Telefonat mit ihr über einen Betritt geredet. „Wir sprachen über konkrete Entscheidungen zur Stärkung der Verteidigungskapazitäten der Ukraine, über Makrofinanzhilfe und die Mitgliedschaft der Ukraine in der EU“, twitterte Selenskyj in der Nacht zu Montag. Die Ukraine arbeitet schon länger auf einen Beitritt zum Bündnis hin. Dieses Ziel ist seit 2019 auch in der Verfassung verankert. „Wir wenden uns an die EU zur unverzüglichen Aufnahme der Ukraine nach einer neuen speziellen Prozedur“, unterstrich Selenskyj am Montag. „Ich bin überzeugt, dass das gerecht ist. Ich bin überzeugt, dass wir das verdient haben.“

Auf Twitter verbreitete Selenskyj schließlich am Montag ein Foto, auf dem er nach eigenen Angaben eine formelle Bitte um die Aufnahme seines Landes in die Europäische Union unterzeichnet. Aus hochrangigen EU-Kreisen verlautet, dies könne für die Staats- und Regierungschefs ein Thema bei einem inoffiziellen Gipfel im März sein.

Zurückhaltendes Wohlwollen in der EU

Bei der EU selbst wird der Wunsch der Ukraine mit großem Wohlwollen, aber auch mit Zurückhaltung kommentiert. „Wir wissen um den Wunsch vieler Menschen in der Ukraine nach einer engeren Anbindung an die EU“, sagt Anna Cavazzini, Abgeordnete der Grünen im Europaparlament. Sie verweist allerdings auch darauf, dass „ein EU-Beitritt einen tief greifenden Transformationsprozess verlangt und gerade nicht konkret zur Debatte steht“. Aber Anna Cavazzini hebt hervor: „Wir müssen der Ukraine perspektivisch eine Beitrittsperspektive anbieten.“

Der Ukraine eine Perspektive bieten

Auch der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary betont, dass die Ukraine eine europäische Perspektive brauche. Ihm ist es aber wichtig, dass „Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in diesen Ländern spätestens am Beitrittstag auf EU-Niveau sein müssen.“ Dieselbe Sichtweise hat auch der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier. Auch er begrüßt, wenn sich die Ukraine der EU anschließen möchte, doch sieht er die hohen Hürden, die sich in Sachen Rechtsstaatlichkeit oder dem Aufbau von demokratischen Institutionen auftun. Er spricht von einem „beachtlichen Zeithorizont“, den das Land wahrscheinlich benötigt, um diese Vorgaben zu erfüllen.

Trotz der vielen Bedenken wird das EU-Parlament am Dienstag über eine Resolution abstimmen, die den EU-Beitritt der Ukraine forcieren soll. In dem Text werden die EU-Institutionen aufgefordert, dem Land den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu verleihen. In der Zwischenzeit soll der Resolution zufolge weiter darauf hingearbeitet werden, den ukrainischen Markt in den Binnenmarkt der EU zu integrieren.

„Wenn Präsident Selenskyj um die EU-Mitgliedschaft bittet, dann bittet er um Frieden, Freiheit und Demokratie für sein Land“, sagte der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU). Die Mitgliedschaft sei zwar ein langwieriger Prozess, dennoch laute das Signal: „Die Ukraine gehört zur EU.“