Die Ratingagentur Moody’s hebt den Ausblick für Italien von negativ auf stabil an. Trotzdem bleibt das Land nur knapp über dem Ramschanleihenniveau. Und Premierministerin Meloni geht zunehmend auf Konfrontationskurs mit Europa.
Es war eine gute Nachricht für Rom, dass die Ratingagentur Moody’s Italien am Freitag nicht herabgestuft hat. Italien behielt mit „Baa3“ eine Bewertung, die zwar nur eine Stufe über dem Ramschanleihenniveau liegt. Aber Moody’s hob den Ausblick von bisher negativ auf stabil an. Beobachter hatten eine Herabstufung nicht ausgeschlossen. Dann aber wären die Finanzierungskosten für Staat, Unternehmen und Private wohl weiter nach oben geschossen.
Trotz der positiven Nachricht stehen die Zeichen für Rom nicht auf Entspannung. Im Gegenteil. Denn Premierministerin Giorgia Meloni geht auf Konfrontationskurs zu Europa. Am Rande eines Treffens mit ihrem kroatischen Amtskollegen Andrej Plenkovic in Zagreb drohte Meloni mit einem Veto gegen die geplante Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts.
Meloni will sich nicht an EU-Regelungen halten
Italien will sich nicht verpflichten, die Schulden jedes Jahr um einen bestimmten Prozentsatz zu reduzieren, und fordert, Investitionen in die Energiewende, die Digitalisierung und Rüstung aus der Defizitberechnung auszuklammern. „Ich kann mich nicht verpflichten, europäische Regelungen einzuhalten, die ich nicht akzeptiere“, sagte Meloni. Mit ihren Forderungen beißt sie insbesondere bei Kanzler Olaf Scholz, den sie am Mittwoch in Berlin unter anderem zur Unterzeichnung eines deutsch-italienischen Aktionsplans trifft, auf Granit.
Hinzu kommt, dass Italien als einziges EU-Land noch nicht die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) unterzeichnet hat und damit dessen Inkrafttreten blockiert. Einen weiteren Konflikt gibt es um die Umsetzung von Reformen, zu denen sich Italien verpflichtet hat, um die Hilfen aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm Next Generation zu erhalten. Symbol dafür ist die Bolkestein-Richtlinie zur Liberalisierung des Dienstleistungssektors.
Trotz jahrelanger Aufforderungen seitens der EU, sie umzusetzen, und trotz der Einleitung eines Verfahrens weigert sich Meloni, etwa die Konzessionen für den Betrieb von Strandbädern neu auszuschreiben. Die EU hat Rom nun eine Frist von zwei Monaten gesetzt. Dann drohen saftige Strafzahlungen.
Vorgänger Prodi hält Melonis Kurs für gefährlich
Der frühere Ministerpräsident und ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi ist entsetzt über Melonis Konfrontationskurs. Bei einer Veranstaltung in Turin sagte er, „es ist gefährlich, sich von Europa zu isolieren; früher oder später kommt die Rechnung“. Italien habe keine Chance, sich mit seinen Forderungen durchzusetzen, und profitiere stark von Europa – auch vom ESM.
Italien ist der größte Nutznießer der europäischen Hilfen und erhält insgesamt 230 Milliarden Euro aus diversen Hilfsprogrammen, vor allem von Next Generation. Diese Gelder sind neben den verbesserten Aussichten des sehr stabilen Bankensektors und der Entspannung im Energiesektor der Hauptgrund dafür, dass Moody’s den Ausblick für Italien angehoben hat.
Doch Experten glauben, dass Italien bestenfalls die Hälfte der Summe ausgeben kann. Bürokratie, fehlendes Fachpersonal und lange Genehmigungsverfahren verhinderten ein besseres Ergebnis. Weitere Verzögerungen gibt es, weil Meloni den Plan überarbeiten ließ und die Genehmigung für die neuen Pläne aus Brüssel noch aussteht.
Auf die Regierung in Rom kommen unkalkulierbare Kosten zu
Die Europäische Union rechnet für Italien 2024 mit einer Wachstumsrate von nur 0,9 Prozent – weniger als die 1,2 Prozent, die Rom bei der Etatplanung zugrundegelegt hat. Brüssel rechnet daher nicht mit einem Abbau der Schulden, sondern mit einem Anstieg – von 140,2 Prozent in diesem Jahr auf 141 Prozent 2025. Die wegen der stark gestiegenen Zinsen auf mehr als 80 Milliarden Euro pro Jahr gewachsenen Schuldendienstzahlungen würden weiter zunehmen. Außerdem kommen auf Rom unkalkulierbare Kosten wegen der umfangreichen Steuererleichterungen für die ökologische Sanierung von Wohnungen und Häusern von bis zu 24 Milliarden Euro im Jahr zu. Auch staatliche Kreditgarantien in Milliardenhöhe könnten fällig werden. Der Haushalt für 2024 ist mehr als eng genäht.
Italien ist wieder im Visier der Finanzmärkte, auch wenn der Zinsabstand zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen zuletzt etwas nachgegeben hat. Schon vor dem Haushaltsentwurf hatte Meloni mit der Ankündigung einer Bankensteuer, die sie dann nach und nach zurücknehmen musste, ein verheerendes Signal an die Märkte gesendet.
Der Haushaltsentwurf verstärkte Signale dieser Art. Er geht nicht nur von unrealistisch hohen Wachstumsraten, sondern von ebenso irrealen Privatisierungserlösen von 20 Milliarden Euro bis 2026 aus; Einsparungen bei den Ausgaben sind nicht in Sicht. „Es gibt keine Wachstumsstrategie“, kritisiert der Industriellenverband Confindustria fehlende Anreize für Investitionen. Dabei haben bereits die hohen Zinsen Investitionen gebremst, und die Kreditausfälle nehmen zu.
Immer mehr Geld für den Schuldendienst
Bewertungen
Vor Moody’s hatten bereits die anderen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Dbrs und Fitch ihre Urteile zu Italien veröffentlicht. Alle bestätigten ihre Bewertungen. Zu den Risiken zählt Moody’s den Anstieg der Kosten der Neuverschuldung.
Schuldendienst
Die durchschnittliche Laufzeit der Staatsanleihen Italiens liegt bei sieben Jahren. Doch der Schuldendienst fresse im Laufe der Jahre einen immer größeren Anteil der Einnahmen auf. Der Anteil steige von 8,1 Prozent in diesem Jahr auf 9,7 Prozent 2027.