Markus Söder und Annegret Kramp-Karrenbauer scheinen sich besser zu verstehen als ihre Vorgänger. Foto: dpa/Michael Kappeler

Der mit Spannung erwartet Parteitag der CDU in Leipzig hält, was er verspricht. Wir haben fünf Lehren zu der Veranstaltung aufgestellt, die nicht nur die Gewinner und Verlierer beinhalten.

Leipzig - Beim CDU-Parteitag in Leipzig ging es wie erwartet hoch her. Wir haben die fünf Lehren aus der Veranstaltung zusammengetragen.

Die Vorsitzende kann kämpfen

Seit langer Zeit ist es Unionstradition, dass die Parteitagsreden der Vorsitzenden eher befriedende und konsensstiftende Wirkung haben. Die Rede von Annegret Kramp-Karrenbauer war in doppelter Weise ein Stilbruch. „AKK“ verzichtete ganz darauf, das Lob der Christdemokratie zu singen oder sich billigen Beifall für rhetorische Attacken auf den politischen Gegner abzuholen. Stattdessen zählte sie Defizite auf.

Sie zeichnete dabei das Bild einer Partei, die sehr aufpassen muss, den Zug in die Zukunft nicht zu verpassen, die sich neuen Themen – zum Beispiel und vor allem der Digitalisierung – stellen muss, und die vor allem in ihrer Mitgliederstruktur jünger, weiblicher und gesellschaftlich repräsentativer werden muss. Die Rede war der Versuch, die Partei, die Kramp-Karrenbauer offenbar für zu schläfrig hält, aufzuwecken.

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Der noch größere Stilbruch war allerdings die Art, mit der die Parteichefin ihren innerparteilichen Gegnern gegenübertrat. Vom Podium aus forderte sie ihre Rivalen offen heraus. Wer sie nicht mehr haben wolle, solle das hier und jetzt sagen. Das trieb die Kritiker in Defensive. Der Parteitag hat der Vorsitzenden mit lang anhaltendem Beifall gezeigt, dass er sie stützt. Ist Kramp-Karrenbauer damit gestärkt? Kurzfristig auf jeden Fall. Allerdings war ihr strategisch geschicktes Rücktrittsangebot ein letztes Mittel. So etwas kann man nicht zweimal machen. Jetzt muss sie liefern.

Die CSU ist der ruhende Pol in der Union

Der erbitterte Streit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU, personifiziert in den heftigen Zusammenstößen zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel, hat beide in den Abgrund blicken lassen. Inzwischen ist Horst Seehofer nicht mehr CSU-Chef und Angela Merkel nicht mehr Vorsitzende der CDU. Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder haben ein sehr gutes Arbeitsverhältnis etabliert. Und Markus Söder scheint erkannt zu haben, dass der Streit und die rhetorische Zuspitzung der CSU selbst am meisten schaden.

Inzwischen ist die CSU tatsächlich so etwas wie der ruhende Pol in der Union. In der CDU wird das mit Dankbarkeit registriert. Markus Söder wurde bei seinem Grußwort gefeiert. Sein Versprechen: „So etwas, wie im letzten Jahr wird sich nie wieder wiederholen“ wurde auf dem Parteitag mit spürbarster Erleichterung, ja geradezu mit Ovationen aufgenommen.

Es gibt keinen Rechtsruck in der Union

Vor dem Parteitag konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Konservativen in der Partei nach rechts rücken wollen. Das hat Kramp-Karrenbauer machtvoll unterbunden. Einigen thüringischen Gedankenspielen zum Trotz hat die Parteichefin mit klarsten Worten jeder Kooperation mit der AfD eine Absage erteilt. Die Union werde niemals den Biedermann spielen, der den Brandstiftern auch noch die Streichhölzer zur Verfügung stellt, hat sie gesagt. Flankiert wurde das von Markus Söders Bemerkung, für ihn sei die AfD „der Feind“. Er sagte auch den innerparteilich bedeutenden Satz: „Meine Erfahrung ist, dass es nichts bringt, die AfD rhetorisch von rechts zu überholen, weil wir in der Mitte dann an Substanz verlieren.“ Die AfD sei „die neue NPD“.

Kramp-Karrenbauer wies darüber hinaus auch den konservativen Flügel in der Partei in die Schranken. Den größten Beifall in ihrer Rede erhielt sie bei der Bemerkung, dass die Partei als Ganzes eine „Werte-Union“ sei – eine klare Absage an die kleine Strömung in der CDU, die sich als eigener Machtfaktor etablieren möchte. Dass im Anschluss Friedrich Merz sich offen an die Seite der Werte-Union gestellt und vor ihrer Ausgrenzung gewarnt hat, hat seine Basis in der Partei sicher nicht vergrößert.

Wer profilierte sich auf dem Parteitag?

Man kann nicht behaupten, dass Friedrich Merz einen guten Parteitag hatte. Im Vorfeld ließ er das Bild entstehen, er könnte auf dem Parteitag zum Generalangriff blasen. Nach der umjubelten Rede der Vorsitzenden musste er sich brav einordnen und Loyalität geloben. Seine Rede war dennoch im Vergleich zur verunglückten Bewerbungsrede für den Parteivorsitz, vor einem Jahr in Hamburg, durchaus lebhaft. Die Reaktionen machten deutlich: Merz hat immer noch viele Unterstützer. Sein Angriff wurde in Leipzig abgeschlagen. Der letzte wird es aber sicher nicht gewesen sein.

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Dennoch: Die Union hat sich in Leipzig vehement einem Kurs der Mitte verschrieben. Das hat auch für die K-Frage Konsequenzen. Sollte Annegret Kramp-Karrenbauer den neuen Schwung doch nicht nutzen können, könnte die Partei nach anderen Kandidaten Ausschau halten, die Milieus der Mitte vielleicht besser ansprechen als Merz. Der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Jens Spahn hielten sich auf dem Parteitag zurück. Taktisch war das vermutlich klug. Einen beträchtlichen Geländegewinn erzielte der Unionsfraktionschef im Bundestag, Ralph Brinkhaus. Er hielt eine fulminante Rede, die alle Parteiflügel einband, Solidarität einforderte und viel Kampfgeist ausstrahlte. Dafür wurde er gefeiert.

Dagegen steht es vorerst nicht zu erwarten, dass die neue stellvertretende Vorsitzende Silvia Breher bald eine wichtige Rolle spielt. Die Bundestagsabgeordnete aus Vechta hat als Nachfolgerin von Ursula von der Leyen zwar ein respektables Ergebnis eingefahren. Es wird aber Zeit brauchen, bis ihr politisches Gewicht zuwächst.

Die Kanzlerin ist kein Faktor mehr

Angela Merkel, die auf dem Parteitag keine Rede mehr hielt, sondern nur noch ein Grußwort sprach, beeinflusst die programmatischen Debatten in der CDU in keiner Weise mehr. Ihr Beitrag war ein kurzer Rückblick auf die Wendezeit und blieb ansonsten im Ungefähren. Die Analyse der Lage der Partei übernahm vollständig Kramp-Karrenbauer. Mit Händen zu greifen war in Leipzig, dass die CDU eine Partei in einer labilen Übergangsphase ist. Innerlich ist die Partei über die Ära Merkel bereits hinweg.