Eva Kaili steht im Zentrum eines Schmiergeldskandals im Europaparlament. Nun ringen die Abgeordneten um bessere Regeln gegen Korruption. Foto: dpa/Eric Vidal

Nach dem Schmiergeldskandal um die Vizepräsidentin ringt das Europaparlament um schärfere Transparenzregeln.

Das Lügengebäude von Ewa Kaili (44) wankt. Fast täglich fördern die belgischen Ermittler neue Erkenntnisse ans Licht, die die Ausmaße des Korruptionsskandals und die zwielichtige Rolle der griechischen Politikerin immer deutlicher werden lassen. Hatte sie nach der Festnahme noch vehement ihre Unschuld beteuert, hat die ehemalige Vizepräsidentin des Europaparlaments nun offenbar ein Teilgeständnis über mögliche Schmiergelder aus dem Golfstaat Katar und Marokko abgelegt.

Koffer und Tüten voller Bargeld

Die belgische Tageszeitung „Le soir“ zitiert einen Untersuchungsrichter: „Sie (Kaili) sagt aus, dass sie in der Vergangenheit von den Aktivitäten ihres Ehemanns mit Herrn Panzeri wusste und dass Koffer mit Geld durch ihre Wohnung geschleust wurden.“ Zudem habe die Politikerin eingeräumt, ihren Vater vor ihrer Festnahme gewarnt und angewiesen zu haben, Bargeld zu verstecken.

Mit der Verhaftung des Vaters am 9. Dezember flog einer der größten Korruptionsskandale in der Geschichte des Europaparlamentes auf. Er wurde in einem Nobelhotel in Brüssel auf frischer Tat ertappt, als er gerade einen Koffer voller Bargeld in Sicherheit bringen wollte. Was danach folgt, liest sich wie das Drehbuch eines zweitklassigen Mafia-Filmes. Es gibt mehrere Festnahmen und die Polizei stellte an mehreren Orten insgesamt fast 1,5 Millionen Euro Bargeld sicher.

Die Schlüsselfigur im Korruptionsskandal

Am Donnerstag nun entscheidet die belgische Justiz darüber, ob die Europaparlamentarierin vorläufig aus der Haft entlassen wird. Neben der 44-Jährigen sitzen auch ihr Lebensgefährte Francesco Giorgio und der ehemalige italienische Europaabgeordnete Antonio Panzeri in belgischem Gewahrsam, letzterer gilt als eine der Schlüsselfiguren in dem Korruptionsskandal. An dem unlauteren Geldfluss beteiligt gewesen sein sollen auch seine Ehefrau und seine Tochter.

Im Europaparlament herrscht seit Bekanntwerden des Schmiergeldskandals aufgeregtes Treiben. Die Präsidentin Roberta Metsola sieht einen „Angriff“ auf das Parlament und versprach die drastische Verschärfung der Maßnahmen gegen Korruption. Doch selbst nach diesem Skandal gehen bei den Abgeordneten die Meinungen auseinander, wie weit diese Regeln gehen sollen. So sind sich etwa die beiden Europaabgeordneten Rainer Wieland (CDU) und Daniel Freund (Grüne) überzeugt, dass Vergehen, die mit hoher krimineller Energie durchgeführt werden, nicht zu verhindern sind. Dann vertreten beide aber deutlich unterschiedliche Meinungen, was etwa den Umgang mit Nicht-EU-Ländern angeht, die Kontakt zu Abgeordneten suchen.

Kampf gegen die Korruption im Parlament

Wenn Staaten wie Marokko, Katar oder China in Brüssel ihre Interessen vertreten, werde das nicht öffentlich, kritisiert Daniel Freund. Aus diesem Grund seine Forderung: „Lobbying von Drittstaaten gehört ins Lobbyregister.“ Dem widerspricht Rainer Wieland, er betont, dass Staaten aus gutem Grund von den Transparenzregeln des Parlaments ausgenommen worden seien. „Gesprächskanäle müssen grundsätzlich offenbleiben, da ohne professionellen Lobbyismus keine vernünftige Politik gemacht werden kann“.

Auch bei der Kontrolle im eigenen Haus liegen beide Politiker mit ihren Ansichten auseinander. So fordert der Grünen-Politiker Freund: „Lobbyregeln müssen unabhängig kontrolliert werden.“ Durch die mangelhafte Kontrolle habe sich „unter einigen Abgeordneten in Brüssel eine Kultur der Straffreiheit verbreitet“. Deshalb müssten niederschwellige Vergehen sofort geahndet werden, bevor das Fehlverhalten „strafrechtliche Dimensionen erreicht“. Der CDU-Mann Wieland hält dagegen: „Eine hausinterne Institution, die gleichzeitig Staatsanwalt, Richter und Vollstrecker ist, brauchen wir meines Erachtens nicht.“ Eine zweite „Polizeistruktur“ innerhalb des EU-Parlaments zu schaffen sei „weder sinnvoll noch zielführend“.

In den nächsten Monaten wird über die Lobbyregeln im Parlament noch viel gestritten werden. Einig sind sich alle Abgeordneten, dass selbst die bereits sehr scharfen Transparenzvorschriften offensichtlich noch einmal nachjustiert werden müssen.