Kellermeister und Geschäftsführer Thorsten Klimek möchte mit Weinfactum einen neuen Weg beschreiten. Foto: Nagel - Nagel

Die Nachricht sorgte in der Weinbranche für einen Paukenschlag: Weinfactum Cannstatt will mit der Felsengartenkellerei Besigheim fusionieren.

Bad CannstattThorsten Klimek, Kellermeister und Geschäftsführer von Weinfactum, ist ein gefragter Mann. Nachdem bekannt wurde, dass die Cannstatter einen Zusammenschluss mit der Felsgartenkellerei Besigheim anstreben, steht sein Telefon auf der Geschäftsstelle in der Rommelstraße 20 nicht mehr still. Und wenn das nicht läutet, so meldet sich sein Handy. „Einer der ersten Anrufer waren die Verantwortlichen von Stuttgart Marketing“, erzählt Klimek. Immerhin wird die Kelter in Halbhöhenlage mit herrlichem Ausblick von den markanten Doppeldeckerbussen als Touristenattraktion seit Jahren angesteuert. Der Kellermeister konnte Stuttgart Marketing – wie auch die vielen nervösen Gastronomen – schnell beruhigen: „Den Standort Weinfactum auf dem Hallschlag wird es auch weiterhin geben – allerdings soll die Produktion künftig woanders stattfinden.“

Zwei-Drittel-Mehrheit nötig

Doch dafür bedarf es natürlich noch der Zustimmung der gut 110 Mitglieder, die in den vergangenen Tagen – teilweise sogar persönlich – informiert wurden. Genaugenommen müssen zwei Drittel auf einer Versammlung im Juli zustimmen, erst dann ist eine der spektakulärsten Fusionen der vergangenen Jahre in der Region Stuttgart in trockenen Tüchern. „An einem Zusammenschluss arbeiten wir schon länger“, so Klimek, der sich selbst, nachdem er Geschäftsführer und Kellermeister bei dem Traditionsunternehmen wurde, immer wieder die Frage gestellt hatte: Wo stehen wir und wo wollen wir hin? „Fakt ist, dass wir überaltert sind und uns in wichtigen Bereichen modernisieren und neu aufstellen müssen.“

In diesem Zusammenhang habe es keinen Sinn gemacht, Geld in die eigene Kelter zu investieren. Die stammt aus dem Jahr 1984 und ist nicht mehr auf dem neuesten Stand. Bei der Suche nach geeigneten Partnern wurde er jedoch erst in der Region fündig. „Für mich stand von Anfang an fest, dass ein möglicher Partner eine gewisse Größe haben muss und für den der Terrassenanbau – wie bei der Marke Weinfactum – ein wichtiger Bestandteil darstellt“, so der Kellermeister. Eine Fusion mit Blick in die Zukunft, wie sie jetzt geplant sei, solle zudem eine einmalige Angelegenheit bleiben.

Verkaufseinbruch im Jahr 2018

Was die Rebsorten angeht, so gibt es bei den Verantwortlichen von Weinfactum ebenfalls ein Umdenken. „Trollinger wird es immer geben – und das ist auch gut so“, betont Thorsten Klimek. Allerdings werde er bei weitem nicht mehr in dem Maße konsumiert wie in früher. „Ganz extrem war bei uns der Verkaufseinbruch 2018 – was nicht nur dem sehr heißen Sommer geschuldet war.“ Zudem stehe Aufwand und Gewinn bei dem „Schwäbischen Nationalgetränk“ in keinem Verhältnis mehr, wobei sich generell das Konsumverhalten der Kunden geändert habe. Die Zeiten, dass bei Veranstaltungen literweise Wein gebechert wurde, seien vorbei. Das Motto heutzutage lautet: Weniger ist mehr – vor allem, wenn es sich um edle Tropfen handelt. Zudem: „Kunden wollen heute nicht nur Wein trinken, sondern erleben.“ Dazu gehöre das entsprechende Ambiente. Und hier sieht Klimek großes Potenzial für attraktive Veranstaltungen in der Rommelstraße, wenn die frei gewordenen Räume neu gestaltet werden können. Falls die Generalversammlungen der beiden Genossenschaften am 25. und 26. Juli grünes Licht geben sollten, so sieht sich der Weinfacfum-Geschäftsführer für die Zukunft gut aufgestellt. Die Felsengartenkellerei verfügt neben der zeitgerechten und modernen Infrastruktur auch über ein breit ausgebautes Vertriebs- und Absatznetz, von dem man natürlich profitieren werde.

Ähnlich positiv ist die Reaktion der Mitglieder der ehemaligen WG Unteres Murrtal, die 2010 mit rund 30 Mitgliedern unter das Dach der damaligen Weingärtner Bad Cannstatt geschlüpft sind. „Bislang habe es seitens der Mitglieder keine Reaktionen auf das Vorhaben geben können, weil die Infos erst am Osterwochenende in den Briefkästen gelegen seien, so Helmut Jenner. „Aber ich denke, die Reaktionen werden positiv ausfallen, die Fusion macht schließlich Sinn.“ Jenner war bis 2010 der Vorsitzende der WG Unteres Murrtal in Rielingshausen und ist seither Vorstandsmitglied bei der gemeinsamen Weingärtnergenossenschaft.

Vor gut zehn Jahren war Jenner gemeinsam mit dem Bad Cannstatter Gerhard Schmid treibende Kraft bei der Fusion. Eine Verbindung, die sich gelohnt hat. „Von der Weinqualität her auf jeden Fall“, betont Jenner. Was die geplante Fusion mit der Felsengartenkellerei angelangt, so ändere sich im Grunde für die Rielingshäuser nichts – außer, dass sie ihre Trauben nicht mehr in Bad Cannstatt, sondern in Hessigheim abgeben, was kilometertechnisch sogar etwas kürzer ist.

Der Paukenschlag der angestrebten Fusion kam für die meisten Konkurrenten allerdings nicht unerwartet. „Weinfactum hat auch bei uns vorgefühlt“, sagt Bernd Munk, Vorstand der Weinmanufaktur Untertürkheim. Dass unterm Strich die Felsengartenkellerei aus Besigheim als Partner auserkoren wurde, habe ihn dagegen überrascht. Zu den Gründen der Cannstatter wollte sich Munk nicht äußern, allerdings sei ihm das Thema Trollinger zu negativ abgehandelt worden. „Das schadet seinem Image noch mehr“, so der Vorstand, wobei er schon zugibt, dass man sich bei den Produktionsmenge Gedanken machen müsse. Denn Trollinger werde oft in den besten Lagen angebaut, was sich nicht unbedingt im Verkaufspreis widerspiegelt.

Auch Timo Saier, Chef des städtischen Weinguts, fiel nicht aus allen Wolken, als er von den Fusionsplänen erfuhr: „Überraschend jedoch, wie schnell das Thema über die Bühne gehen soll“. Auch er wolle die Beweggründe der Cannstatter nicht kommentieren. „Der Trollinger als Sorte ist allerdings nicht schuld.“ Überrascht zeigte sich dagegen Martin Kurrle, Geschäftsführer und Kellermeister des Collegiums Wirtemberg: „Ich möchte den Schritt der Cannstatter nicht bewerten – doch damit habe ich nicht gerechnet“.