Auch der private Konsum soll nächstes Jahr wieder deutlich steigen, besagt die Prognose. Foto: dpa/Marc Müller

Der Einbruch dürfte laut Bundesregierung weniger schlimm ausfallen als zunächst befürchtet. Doch bleibt die Erholung fragil. Einige Ökonomen bereiten das Publikum schon wieder auf schlechte Nachrichten vor.

Berlin - Die deutsche Wirtschaft wird nach Einschätzung der Bundesregierung noch mindestens ein Jahr brauchen, um aus ihrem Pandemie-bedingten Tief herauszukommen. Das machte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Freitag bei der Vorlage seiner Herbstprojektion in Berlin deutlich.

Der Konjunktureinbruch im laufenden Jahr falle zwar weniger drastisch aus als zunächst befürchtet. 2021 sei wieder mit einem starken Wachstum zu rechnen, wenngleich die Prognose mit vielen Unsicherheiten behaftet bleibe. Das Vorkrisen-Niveau der Wirtschaftsleistung werde „frühestens zum Jahreswechsel 2021/2022 wieder erreicht“, schreiben Altmaiers Experten.

Die Regierung sieht die Konjunktur am Scheideweg

Angesichts der zweiten Corona-Welle sieht die Regierung die Konjunktur am Scheideweg. „Das Pendel kann in die eine oder andere Richtung ausschlagen“, sagte der Minister. Er verteidigte noch einmal den Beschluss des Bundes und der Länder vom vergangenen Mittwoch, Teile der Wirtschaft wie etwa die Gastronomie oder die Kultur- und Freizeitbranche im November für vier Wochen in einen erneuten Lockdown zu schicken. Betroffenen Betriebe und Solo-Selbstständige sollen in dieser Zeit mit Milliardenhilfen unterstützt werden. Man müsse jetzt der zweiten Corona-Welle genau so entschlossen entgegentreten wie der ersten im Frühjahr, sagte Altmaier. Nur wenn es gelinge, die Kurve der Neuinfektionen wieder abzuflachen, könne sich der Erholungsprozess der Wirtschaft fortsetzen und schwerer Schaden für Unternehmen und Beschäftigte verhindert werden. Normalität könne erst wieder einziehen, wenn ein Corona-Impfstoff verfügbar ist.

Für das laufende vierte Quartal rechnet Altmaier mit einem Wachstum von 0,4 Prozent

Konkret rechnet die Regierung jetzt damit, dass die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr um 5,5 Prozent schrumpft. Damit ist die Regierung jetzt etwas optimistischer als bisher: In der Frühjahrsprojektion war Altmaier noch von einem Einbruch in Höhe von 6,3 Prozent ausgegangen, bei einer Interimsprojektion Anfang September von 5,8 Prozent.

Im Frühjahr war die Wirtschaftsleistung infolge des ersten Lockdowns um zehn Prozent eingebrochen. Von Juli bis August stieg sie dann gegenüber dem Vorquartal um 8,2 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt mit. Das zeige, dass die deutsche Wirtschaft auch unter Pandemie-Bedingungen in der Lage sei, Wachstumskräfte freizusetzen, sagte Altmaier. Für das laufende vierte Quartal rechnet er noch mit einem Wachstum von 0,4 Prozent. Dabei sind die erwarteten Auswirkungen des Teil-Lockdowns im November bereits berücksichtigt.

Altmaier gibt sich optimistisch

Der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser, sagte, die am Mittwoch beschlossenen Maßnahmen setzten „der kräftigen Erholung vom Sommer ein abruptes Ende“. Ähnlich äußerte sich das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Durch die verschärfte Infektionslage sei „sogar ein neuer Rückgang der Wirtschaftsleistung möglich“, sagte IMK-Chef Sebastian Dullien. Er betonte zugleich: „Die kräftige Wirtschaftserholung im dritten Quartal zeigt, wie wirksam eine entschiedene Politik zur Stützung der Wirtschaft auch in Pandemiezeiten ist.“ Laut der Projektion der Bundesregierung wird die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr um 4,4 Prozent zulegen und 2022 dann um 2,5 Prozent. Minister Altmaier war am Freitag sichtlich bemüht, trotz der schwierigen Lage Optimismus zu verbreiten. Mehrfach verwies er auf das überraschend starke Wachstum im dritten Quartal. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung in Höhe von 130 Milliarden Euro zeige Wirkung, sagte der Minister.

Die Infektionslage in Asien habe sich stabilisiert

Trotz der massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die jetzt abermals anstehen, unterscheide sich die Situation für die Wirtschaft fundamental von der im Frühjahr. So habe sich die Infektionslage in Asien stabilisiert, was insbesondere für die deutschen Exporteure wichtig sei. In Europa gebe es jetzt keine Grenzschließungen, weshalb die Lieferketten intakt blieben. Außerdem habe man in allen Zweigen der Wirtschaft gelernt, Hygienekonzepte zu erstellen und diese umzusetzen.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Reinhard Houben, sagte: „Denn ob der erneute Lockdown für die Wirtschaft so glimpflich verläuft wie angenommen, ist völlig offen.“