Tien Chung-kwang, Taiwans stellvertretender Außenminister, spricht im Außenministerium in Taipeh am 15. Januar. Am gleichen Tag kündigte der südpazifische Staat Nauru an, die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abzubrechen und stattdessen China anzuerkennen. Foto: AFP/SAM YEH

Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Taiwan sorgt für neuen Zündstoff im Konflikt mit China - nun hat Nauru die diplomatischen Beziehung zu Taipeh abgebrochen. Worum geht es? Warum erkennen nur wenige Staaten die Eigenständigkeit Taiwans an?

Nach dem Wahlsieg am vergangenen Wochenende von William Lai von der china-kritischen Fortschrittspartei in Taiwan drohen neue Spannungen mit dem mächtigen Nachbarn China. Die Wähler verhalfen der Partei zu einer historischen dritten Regierungsperiode und stimmten für den Status quo in den angespannten Beziehungen mit der kommunistischen Führung. Der bisherige Vizepräsident Lai errang 40 Prozent der Stimmen. Im Parlament verlor seine Partei jedoch die absolute Mehrheit, was die Arbeit seiner Regierung erschweren wird. 

Als Reaktion auf das Wahlergebnis verlor die selbstverwaltete Insel Taiwan dann einen ihrer wenigen formellen Verbündeten: Der Pazifikstaat Nauru erklärte unerwartet, sich diplomatisch China zuzuwenden. Damit erkennen nur noch zwölf Staaten Taiwan offiziell an.

Warum wird Taiwan nur von wenigen Ländern in der Welt anerkannt?

China zwingt jedes Land, das diplomatische Beziehungen mit Peking haben will, keine offiziellen Kontakte mit Taiwan zu unterhalten. Es ist vom „Ein-China-Grundsatz“ die Rede. Danach ist Peking die einzige legitime Vertretung Chinas. Auf chinesischen Druck wurde Taiwan aus den Vereinten Nationen und internationalen Organisationen ausgeschlossen. Nur weniger als zwei Dutzend kleinere Länder unterhalten noch diplomatische Beziehungen. Deutschland oder die USA betreiben nur eine inoffizielle Vertretung in Taipeh.

Diese Staaten erkennen Taiwan an

Aktuell pflegen Vatikanstadt (seit 1942) und eine Handvoll weitere kleinere Staaten diplomatische Kontakte zu Taiwan. Im Einzelnen sind dies in chronologischer Reihenfolge:

  • Vatikanstadt (1942)
  • Haiti (1956)
  • Paraguay (1957)
  • Guatemala (1960)
  • Honduras (1965)
  • Eswatini (1968)
  • Tuvalu (1979)
  • St. Vincent und die Grenadinen (1981)
  • St. Kitts und Nevis (1983)
  • Belize (1989)
  • Marshallinseln (1998)
  • Palau (1999)
  • St. Lucia (1984–1997, 2007)

Was sagt China zur Entscheidug von Nauru?

Nauru, das etwa 5600 Kilometer südöstlich von Taiwan liegt, gehört zu den kleinsten Ländern der Welt. Die winzige Republik hat nur rund 12 000 Einwohner. Nauru galt in den 1970er-Jahren dank großer Vorkommen an Phosphat als extrem reich. Jedoch waren die Reserven in den 1990er Jahren erschöpft - und das Land geriet in eine tiefe Krise. Heute gehört es zu den ärmsten Ländern der Welt.

Chinas Regierung begrüßte Naurus Umdenken. Die Entscheidung zeige, „dass das Ein-China-Prinzip dem Willen des Volkes und dem Trend der Zeit entspricht“, hieß es aus dem Außenministerium in Peking. Nauru hatte im Juli 2002 seine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan schon einmal abgebrochen. 2005 entschied sich die Insel jedoch wieder um, nachdem China seine Versprechungen, das Land zu unterstützen, nicht eingehalten hatte. da 

Warum ist Taiwan politisch so wichtig für China?

Der kommunistische Machtanspruch geht auf die Gründungsgeschichte der Volksrepublik China zurück. Nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten zog die nationalchinesische Kuomintang-Regierung mit ihren Truppen nach Taiwan, während Mao Tsetung 1949 in Peking die Volksrepublik ausrief. Der heutige Staats- und Parteichef Xi Jinping sieht eine „Vereinigung“ mit Taiwan als „historische Mission“. Die Insel zwischen Japan und den Philippinen hat außerdem große strategische Bedeutung. US-General Douglas MacArthur bezeichnet Taiwan einst als „unsinkbaren Flugzeugträger“ der USA. Eine Eroberung durch China wäre ein wichtiger Baustein in dessen Großmacht-Ambitionen, weil es das Tor zum Pazifik öffnen würde.

Droht in naher Zukunft eine militärische Eroberung durch China?

Der Streit um Taiwan ist einer der gefährlichsten Konfliktherde der Welt. Nach Russlands Angriff auf die Ukraine wächst weltweit die Sorge, dass China auf ähnliche Weise versuchen könnte, die demokratische Insel zu erobern. Die USA haben sich schon lange der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet, was bisher meist Waffenlieferungen bedeutete. Eine militärische Auseinandersetzung hätte massive Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Auch stünden sich die beiden Atommächte China und USA gegenüber.

Die Gefahr für eine militärische Erobrung hat unter Xi Jinping deutlich zugenommen. Dafür modernisiert Chinas schon lange besonders seine Marine und Luftwaffe. Es wird davon ausgegangen, dass der mächtige Präsident das Vorhaben noch in seiner Amtszeit umsetzen will. Im Herbst will sich Xi Jinping für weitere fünf Jahre bestätigen lassen. Weitere Amtszeiten sind denkbar. Ein ausländischer Botschafter meinte mal: „Ich hoffe, dass Xi Jinping noch möglichst lange im Amt bleibt.“ Das würde den Zeitpunkt einer militärischen Eroberung weiter in die Zukunft schieben.

Würden die USA Taiwan im Falle eines Angriffs verteidigen?

Nachdem die USA in diesen Punkt zum Zwecke der Abschreckung „strategisch zweideutig“ geblieben waren, ist US-Präsident Joe Biden weitergegangen als seine Vorgänger. Er bezeichnete es wiederholt als „Verpflichtung“, Taiwan zu verteidigen. Ob mit Waffenlieferungen oder mit eigenen Truppen - das ließ er offen. Nach der diplomatischen Anerkennung Chinas hatten sich die USA schon 1979 mit dem „Taiwan Relations Act“ gesetzlich selbst dazu verpflichtet, Taiwans Verteidigungsfähigkeit weiter zu unterstützen.

Welche Auswirkungen hätte ein militärischer Konflikt?

Experten gehen davon aus, dass ein Krieg um Taiwan massive und größere Auswirkungen hätte als der Angriff Russlands auf die Ukraine - auch auf Deutschland. Taiwan ist Nummer 22 der großen Volkswirtschaften, industriell weit entwickelt und stark mit der Weltwirtschaft verflochten. Ein Großteil der ohnehin knappen Halbleiter stammen von dortigen Unternehmen. Wegen der großen Abhängigkeit vom chinesischen Markt wären deutsche Unternehmen massiv betroffen, wenn ähnlich wie gegen Russland wirtschaftliche Sanktionen gegen China verhängt werden sollten.