Zwei Ex-Stadträte kämpfen vor Gericht gegen mutmaßliche Pannen bei der Kommunalwahl in Waiblingen. Trotz schwerer Vorwürfe und „schockierender“ Untersuchungsergebnisse lässt eine Entscheidung weiter auf sich warten.
Friedrich Kuhnle und Alfonso Fazio sind in Sorge, dass ihre Klage, die sie wegen mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten bei der jüngsten Kommunalwahl in Waiblingen angestrebt haben, im Sande verläuft. Ihr Anwalt habe sie dieser Tage darüber informiert, dass sich das Verwaltungsgericht mangels einer Stellungnahme der Stadt noch gar nicht näher mit dem „Fall“ beschäftigen habe können, äußert sich Kuhnle dieser Tage gegenüber unserer Zeitung.
Die Anwälte der Stadt hätten wegen „noch nicht erfolgter abschließender Abstimmung mit der Stadt Waiblingen“ bereits zum zweiten Mal um eine Fristverlängerung gebeten. Die Klage war von den beiden Ex-Stadträten (Freie Wähler-Demokratische Freie Bürger und Alternative Liste) bereits am 4. September eingereicht worden. Kuhnles Verdacht: „Offensichtlich liegt der Stadt Waiblingen und deren Anwälten nichts daran, die Angelegenheit vom Tisch zu bringen – vielleicht in Hoffnung, dass mit der Zeit Gras über die städtischen Fehlleistungen anlässlich der Wahlvorbereitung und -Durchführung wächst.“
Einmaliger Skandal der jüngeren Landesgeschichte?
Die beiden Kläger fordern, dass die Gemeinderatswahl vom Juni für ungültig erklärt wird. Ihr Anwalt Roland Kugler spricht von einem seltenen und spannenden Fall, der nur alle paar Jahre auftritt, die Kläger selbst von einem „einmaligen Skandal in der jüngeren Geschichte Baden-Württembergs“.
Die Klage richtet sich gegen das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart, das die Wahl als gültig eingestuft hatte, trotz erheblicher Pannen. Hauptkritikpunkt ist die mangelhafte Zustellung der Stimmzettel. So bekamen lediglich etwa 1000 Wahlberechtigte ihre Unterlagen rechtzeitig, während rund 9400 Wähler ganz ohne Briefwahlunterlagen blieben. Bei weiteren 20 400 Wahlberechtigten kamen die Stimmzettel zu spät – teilweise erst am Abend vor der Wahl. Anwalt Kugler betont, dass die gesetzlich vorgeschriebene Vorabzustellung der Wahlunterlagen aus gutem Grund existiere: Das komplexe Verfahren der Kommunalwahl mit Panaschieren und Kumulieren erfordere ausreichende Vorbereitungszeit für die Wähler.
Gravierende organisatorische Mängel
Eine interne Untersuchung der Stadtverwaltung hat gravierende organisatorische Mängel aufgedeckt. So begannen die Wahlvorbereitungen insgesamt zu spät. Wahlhelfer und Vorstände wurden unzureichend geschult, die Wahlsoftware wurde zu spät getestet und ein Ablaufplan für den Wahlprozess fehlte komplett. Besonders problematisch war die Verzögerung beim Druck der Stimmzettel: Dieser Auftrag wurde erst am 22. Mai vergeben, nur wenige Wochen vor der Wahl. Thomas Bayer, Leiter der Internen Revision, wies darauf hin, dass nur dank der Vorräte der Druckerei überhaupt Stimmzettel geliefert werden konnten. Insgesamt wurden lediglich 23 der 1000 Straßen in Waiblingen rechtzeitig mit Wahlunterlagen versorgt. Bayer kritisierte zudem fehlende Kontrollen und mangelnde Kommunikation innerhalb der Verwaltung.
Der Oberbürgermeister Sebastian Wolf räumte Fehler ein und übernahm die Verantwortung für die Probleme. Er versprach Verbesserungen und hofft, dass solche Pannen in Zukunft nicht mehr vorkommen. Als zentrale Maßnahmen forderte die Revision Ablaufpläne, regelmäßige Überwachungen und das Vier-Augen-Prinzip bei organisatorischen Aufgaben.
Kuhnle und Fazio betonen, dass es ihnen nicht um das Wahlergebnis gehe, sondern um die Glaubwürdigkeit demokratischer Prozesse. Eine Neuwahl sei notwendig, um das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen. Kritische Stimmen, wie von Iris Förster (Grüne), zweifeln jedoch an der Sinnhaftigkeit einer Neuwahl, da diese erfahrungsgemäß mit geringerer Wahlbeteiligung einhergehe.
Stellungnahme der Stadt liegt jetzt vor
Inzwischen müssten die Unterlagen für die Wahlanfechtungsklage beim Verwaltungsgericht aber komplett sein. Die Stadt Waiblingen hat laut eigenem Bekunden ihre Stellungnahme am 5. Dezember eingereicht, obwohl ihr noch bis zum 9. Aufschub gewährt worden sei. Die Stadt betont, dass derlei Fristverlängerungen bei komplexen Verfahren üblich seien und verweist darauf, dass sie nur Beigeladene im Verfahren sei. Die eigentliche Klage richte sich gegen das Land Baden-Württemberg. Nun bleibe abzuwarten, wie das Verwaltungsgericht den Fall beurteilen werde.
Wann, ist noch offen. Eine öffentliche Verhandlung war allerdings ohnehin nicht vor dem kommenden Jahr geplant.