Mit der Türkei verbündete syrische Rebellen Foto: AFP

Seit 3273 Tagen tobt in Syrien eine blutiger Krieg. Und Außenminister Heiko Maas will jetzt stärker nach dem Frieden suchen – statt der Türkei Grenzen aufzuzeigen.

Stuttgart - Vergangene Woche war es mal wieder so weit: Der deutsche Außenminister Heiko Maas beschwor den Frieden für Syrien: „Der UN-Sicherheitsrat kann und muss mehr tun, um dieses Leid zu beenden.“ Das machen deutsche Chefdiplomaten in diesem heute seit 3273 Tagen tobenden Krieg von Zeit zu Zeit so. Vor allem dann, wenn aus ihrer Sicht Ungeheuerliches in der Levante passiert: 33 türkische Soldaten wurden bei einem syrischen Angriff in der syrischen Provinz Idlib getötet. Deshalb gilt Maas’ „Mitgefühl unseren türkischen Partnern“. Nun liegt Idlib auf dem Hoheitsgebiet der Syrisch Arabischen Republik. Und einige Diplomaten fragen sich, mit welchem Recht türkische Truppen außer in Idlib auch im gesamten türkisch-nordsyrischen Grenzgebiet - Stellungen ausgehoben haben. Das interessiert deutsche Außenminister allenfalls am Rande. Dem Juristen Maas entgeht, dass nicht nur „willkürliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung“ Kriegsverbrechen sind, sondern jede Attacke auf Zivilisten.

Also auch die, die in Syrien eingesetzte türkische Soldaten in Massen selbst dokumentieren: Wie sie in Nordsyrien Kulturgüter und religiöse Stätten der Kurden zerstören, Frauen, Kinder und Alte drangsalieren und misshandeln, Friedhöfe schänden. Viele der Soldaten zeigen den Wolfsgruß, das Zeichen türkischer Rechtsextremisten. Heiko Maas scheint das den Schlaf nicht zu rauben. Die türkische Offensive in Syrien stehe „nicht im Einklang mit dem Völkerrecht“, gab sich Maas schmallippig.

Ein Grund: Ende dieses Jahres sind die sechs Milliarden Euro verplant, die die Türkei dafür erhält, dass sie etwa 3,6 Millionen syrischen Flüchtlingen aufgenommen hat. Das Geld wird zum größten Teil an Hilfsorganisationen bezahlt. Dafür soll die Türkei ihre Grenzen streng kontrollieren. 183 429 Mal ist das der Türkei seit Vertragsbeginn im März 2016 nicht gelungen. 1600 über die Türkei nach Griechenland geflohene Menschen hat die EU zurück in die Türkei gebracht. Es drohen neue Trecks mit 2,2, Millionen Flüchtlingen aus Idlib. Die für die Sicherung der EU-Außengrenzen zuständige Frontex in seit 2016 kaum über symbolische Maßnahmen hinaus gekommen.

Angesichts der Ende 2020 verplanten Milliarden bereitet Erdogan neue Verhandlungen vor. Er will mehr Geld. Das soll direkt der türkischen Regierung ausgezahlt werden. Die Visa-Pflicht für Türken im EU-Schengenraum soll aufgehoben werden. Dafür schleust Erdogan Zehntausende an die EU-Außengrenze.

Er fordert die Unterstützung der Nato für seine Truppen in Syrien – also für jene, die sich dort „nicht im Einklang mit dem Völkerrecht“ befinden, wie selbst Heiko Maas feststellte. Schlimm, dass die Wertegemeinschaft Nato das überhaupt diskutiert. Schlimmer ist, dass einem deutschen Außenminister seit 3273 Tagen nichts Besseres einfällt, als „Anstrengungen zur Erreichung einer politischen Lösung“ zu verstärken. Dem türkischen Despoten müssen endlich Grenzen aufgezeigt werden, statt ihm wieder den roten Teppich auszurollen. Es muss in EU und Nato darüber diskutiert werden, wie Erdogan zu sanktionieren ist.

Gerade, weil der Nato-Partner völkerrechtswidrig in Syrien einmarschierte. Weil er Terroristen wie die Hai‘at Tahrir asch-Scham unterstützt, statt sie zu entwaffnen. Weil auch türkische Soldaten in Syrien Kriegsverbrechen verüben. Dies klar zu verurteilen haben deutsche Außenminister bei ihren Entrüstungen zu Syrien ebenso versäumt. Wie auch, ihre Diplomatie an der Tatsache auszurichten, dass Diktator Baschar al-Assad der Sieger des Krieges im eigenen Land ist.

franz.feyder@stuttgarter-nachrichten.de