In dieser Illustration sieht das Coronavirus ganz nett aus – doch das täuscht. Foto: pinkeyes

Das Coronavirus hält die Welt in Atem. Warum tut es das eigentlich?Wir haben die Antwort.

Stuttgart - Werden wir von Virologen regiert? Das fragen sich angesichts der Beschränkungen des täglichen Lebens in der Corona-Krise viele Menschen. Manche sehen sogar dunkle Mächte am Werk, die aus der guten alten Bundesrepublik eine Deutsche Desinfizierte Republik (DDR) machen wollen. Das ist natürlich Unsinn. Auch wenn Talkshows und Nachrichtensendungen diesen Eindruck erwecken: Wir werden nicht von Virologen regiert, sondern von einem Virus namens Sars-CoV-2.

Spontane Reisen in fast jeden Teil der Welt

Aber was hat so ein winziges Wesen, das vielen Forschern nicht einmal als Leben im engeren Sinne gilt, von so einer Pandemie? Haben die Viren etwas gegen uns? Natürlich nicht. Ihnen geht es auch nur darum, ihre Gene an künftige Generationen weiterzugeben. Und dafür bietet der Mensch von heute gute Voraussetzungen. Er hat sich in den letzten Jahrzehnten exponentiell vermehrt – ähnlich wie die Zahl der Infizierten bei einer Pandemie – und steht daher in nie da gewesener Zahl als Wirt zur Verfügung. Gleichzeitig leben immer mehr Menschen auf engstem Raum in großen Städten, was Krankheitserregern ideale Übertragungschancen bietet. Hinzu kommt unsere enorme Mobilität, die Viren und Bakterien spontane Reisen in fast jeden Teil der Welt erlaubt.

Die Tübinger Biologin Simone Sommer und andere Forscher sehen auch in der Zerstörung natürlicher Ökosysteme einen Faktor, der die Verbreitung von Viren begünstigt. In Biotopen mit geringer Artenvielfalt sei die Gefahr von Epidemien bei den verbliebenen Tierarten größer, so Sommer. Gleichzeitig müssten angesichts schrumpfender natürlicher Lebensräume mehr Tiere in der Nähe des Menschen leben. Damit steigt das Risiko, dass Viren – wie bei Sars-CoV-2 geschehen – auf den Menschen überspringen. Viele Tiere und ihre Viren leben schon lange zusammen und haben sich recht gut aneinander gewöhnt – mit der Folge, dass die meisten Tiere eine Infektion überleben. Davon profitieren auch die Viren, weil sie mehr Zeit haben, sich weiter zu verbreiten. Ist der Wirt erst mal tot, geht das nicht mehr so gut. Infiziert ein tierisches Virus dagegen einen Menschen, für dessen Immunsystem es völlig unbekannt ist, kann das fatale Folgen haben – bis hin zum Tod des Betroffenen.

Outsourcing ist für Viren ein alter Hut

Man muss Viren nicht gleich lieben, aber sie haben manches, was der Mensch für seine ureigene Erfindung hält, lange vor uns praktiziert – etwa die Strategie des Outsourcings. Viren haben sich noch nie bemüht, selber Proteine und andere Bausteine des Lebens herzustellen. Sie haben diese niedrigen Tätigkeiten ausgelagert und lassen sie von Wirtszellen erledigen, die sie durch eine Änderung der Geschäftsbedingungen über den Tisch gezogen haben. Viren sind extrem schlank aufgestellt. Abgesehen von ein paar Eiweißen bestehen sie aus purer (Erb-)Information – sie sind gewissermaßen Pioniere der heutigen Informationsgesellschaft.

Zudem sind Viren ein Musterbeispiel für die überall geforderte Flexibilität. Sie können sich sehr schnell anpassen. Darin sind aber auch Menschen nicht schlecht. Sie schaffen es zum Beispiel, in Fabriken, die bisher Autos oder Unterwäsche produziert haben, Atemmasken und Desinfektionsmittel herzustellen. Und ein bekannter Küchengerätekonzern arbeitet wahrscheinlich bereits am Corona-Schnelltest für zu Hause – inklusive viraler Werbekampagne. Am Ende wird es sicher gelingen, das Coronavirus zu besiegen. Aber irgendwo da draußen wartet schon der nächste Erreger auf uns.

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