200 Maultaschen plus x sollten schon zusammenkommen – schließlich wird drei Tage daran gegessen. Foto: STZN/the

Auch diesen Gründonnerstag wird bei unserer Autorin eine Tradition hochgehalten: Das Maultaschen machen. Was unspektakulär klingt, wird zum Großprojekt für die ganze Familie.

Stuttgart - Da wären wir also wieder. Hätte uns im vergangenen Jahr jemand erzählt, dass wir nun schon das zweite Ostern im Corona-Lockdown feiern, wir hätten vermutlich gelacht und den Kopf geschüttelt über so viel Pessimismus. Lag dem ersten Frühlingslockdown – zumindest ganz am Anfang – noch der Zauber des Neuen, Unbekannten inne („Ist doch ganz schön, nur wir vier“, „Endlich haben wir mal Zeit für uns als Familie“, „Ich wollte doch schon lang mal den Keller aufräumen“, „Schau mal, kein einziger Kondensstreifen am Himmel“), dürften die meisten von uns jetzt einfach nur noch die Nase voll haben. Gestrichen voll.

Aber es hilft ja nichts. Opa und Oma haben bislang nur die erste Impfung im Arm und sicher ist nun mal sicher. Also planen wir das zweite Ostern zu viert.

Maultaschen machen bedeutet volles Commitment

Ich habe gelesen, es sei gerade in diesen unsicheren Zeiten wichtig, Traditionen aufrechtzuerhalten. In meiner urschwäbischen Familie bedeutet das: An Gründonnerstag machen wir Maultaschen. Klingt erst mal unspektakulär, bedeutet aber volles Commitment – wenn man es richtig macht. „Gscheit“, wie der Schwabe sagt. Vermutlich dürfte jede schwäbische Familie der Überzeugung sein, dass nur ihre Art, Maultaschen herzustellen, die allein seligmachende ist. Wir bilden da keine Ausnahme.

Bei uns läuft “gscheit“ Maultaschen machen so: Wir halten uns sklavisch an das Rezept der Ur-Ur-Oma, das über die Jahrzehnte von den Frauen der Familie weitergegeben wurde. Einzig meine Großmutter, angeheiratet und in Gütersloh (!) geboren und aufgewachsen, hat sich erlaubt, diese Ingredienzien abzuwandeln. Seither gehört in unsere Maultaschen TK-Rahmspinat. Sie haben richtig gelesen – urteilen Sie nicht, bevor Sie nicht probiert haben!

Über jedem Stuhl eine Bahn Nudelteig

Legenden ranken sich um die Maultaschenherstellung in unserer Familie: Als meine Mutter ein Kind war, erzählte sie uns, hing am Gründonnerstag über jedem Stuhl in der Küche ihrer Großmutter eine Bahn Nudelteig – so dünn, dass man hindurchschauen konnte. Nur dieser hauchzarte Teig garantiert, dass die Maultasche später blass und aufgedunsen „wie eine Wasserleiche“ in der Fleischbrühe schwimmt, wie der schwäbische Mundartdichter Thaddäus Troll so korrekt wie unappetitlich konstatierte.

Tradition hin oder her: Den Teig bestelle ich beim Metzger meines Vertrauens. Damit ist es aber auch vorbei mit den Abkürzungen. Niemals wäre man in meiner Familie auf die Idee gekommen, den Teig geschwind wie der Wind mit Fülle zu bestreichen und aufzurollen. Wir falten! Maultasche für Maultasche für Maultasche. Das braucht Zeit – und Manpower. Inzwischen sind auch unsere Zwillinge in die Produktion eingebunden. Sie tun es gern, schließlich sind auch für sie Maultaschen das Allergrößte. 200 “Herrgottsbscheißerle“ plus x kommen so zustande – echte Schwaben essen daran ja auch drei Tage: An Gründonnerstag in der Brühe, an Karfreitag geschmelzt, an Karsamstag mit Ei.

Den Kartoffelsalat holen wir übrigens dieses Jahr beim Metzger – auch wenn sich meine Ahninnen im Grabe rumdrehen dürften.

Theresa Schäfer (39) ist Mutter von Zwillingen - und Onlineredakteurin im Nebenberuf. Der geballten Power von zwei Achtjährigen steht sie manchmal völlig geplättet gegenüber.