Kostspielige Projekte für den Klimaschutz könnten dem Sparzwang zum Opfer fallen. (Symbolfoto) Foto: dpa/Patrick Pleul

Grüne und CDU wollen Baden-Württemberg zum „Klimaschutzland“ machen. Doch der Sparzwang lässt manche Blütenträume platzen. Ärgerlich für Kretschmann: Die Kommunen stehen beim Nahverkehr-Ausbau auf der Bremse.

Stuttgart - Wegen der coronabedingten Haushaltslöcher könnten bei den Koalitionsverhandlungen von Grünen und CDU auch die kostspieligen Projekte für den Klimaschutz gestutzt werden. Um den Klimaschutz voranzutreiben, wollen vor allem die Grünen in der kommenden Legislaturperiode pro Jahr 200 Millionen Euro in die Hand nehmen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen in Stuttgart. Damit sollten insbesondere die Planung für kommunale Wärmenetze gefördert, landeseigene Gebäude saniert und klimaneutrale Wohnquartiere unterstützt werden. Dieser Betrag steht wegen des Sparzwangs nun infrage.

Daneben geraten Grüne und CDU auch beim geplanten massiven Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs unter Druck. Die Kommunen sehen nicht ein, dass sie über eine Nahverkehrsabgabe für Bürger oder Autofahrer das Geld für die vom Land vorgesehene Stärkung von Bussen und Bahnen einsammeln sollen. Das ist ein Rückschlag für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der immer wieder betont hatte, in einer Koalition mit der CDU sei es leichter, die Kommunen beim Klimaschutz auf seine Seite zu ziehen. Die große Mehrzahl der Bürgermeister und Landräte im Land stellt immer noch die Union.

In Sondierung auf zahlreiche Klimaschutz-Projekte verständigt

Kretschmann hatte am Dienstag erklärt, die künftige Koalition könne sich „keine großen Sprünge leisten, die mit großen Ausgaben verbunden sind“. Alles, was man beschließe, werde unter Haushaltsvorbehalt gestellt. Beim Klimaschutz könnten Grüne und CDU zunächst auch ordnungspolitisch Akzente setzen, ohne viel Geld ausgeben zu müssen. Als Beispiel nannte er die Solarpflicht auf Wohnhäusern. Dabei hatten sich Grüne und CDU bereits in der Sondierung auf zahlreiche Projekte für den Klimaschutz verständigt - hier musste die Union nach ihrer Wahlniederlage einige Zugeständnisse machen.

Prompt setzt es Kritik von den Umweltverbänden. Die BUND-Landeschefin Sylvia Pilarsky-Grosch sagte: „Die Koalitionäre sind ambitioniert in die Verhandlungen gestartet und verlieren jetzt leider das Ziel aus den Augen.“ Dass es Geldprobleme gebe, könne nicht der Grund sein, weniger in den Klimaschutz zu investieren. „Die Schuldenbremse kann und muss in Krisensituationen ausgesetzt werden“, forderte sie.

SPD-Fraktions- und Parteichef Andreas Stoch schwant ebenfalls Böses: „Fünf Jahre lang ging beim Klimaschutz fast nichts voran, obwohl die Kassen reichlich voll waren.“ Jetzt werde mit dem Hinweis auf knappe Kassen schon wieder gebremst. „Erst fehlte es am Willen, jetzt angeblich am Geld – Hauptsache, es geht nichts voran.“

Auf „Mobilitätsgarantie“ für öffentlichen Nahverkehr geeinigt

Schon in der Sondierung hatten sich Grüne und CDU auf eine „Mobilitätsgarantie“ für den öffentlichen Nahverkehr geeinigt. Dafür sollten alle Orte in Baden-Württemberg von 5.00 Uhr früh bis Mitternacht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein. Hier wird mit Kosten in Höhe von 600 Millionen Euro kalkuliert.

Darüber hinaus soll es landesweit günstigere Tickets im Nahverkehr geben, um die Menschen zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen. Dieses Vorhaben soll mit 500 Millionen Euro zu Buche schlagen. Zwar sollen die Kommunen im Gegenzug eine Nahverkehrsabgabe einführen können, doch ob da genügend Geld reinkommt, wird selbst bei den Grünen angezweifelt. In Verhandlungskreisen wird erwartet, dass die Grünen bei diesem Prestigeprojekt Abstriche und einen Stufenplan akzeptieren müssen.

Kreise warnen vor „Sündenfall“

Der Landkreistag warnte Grüne und CDU, die Kosten für den geplanten Ausbau des Nahverkehrs auf die Kommunen abzuwälzen. Die Kreise hielten es für einen „ordnungspolitischen Sündenfall“, wenn Grüne und CDU die zusätzlichen Busse und Bahnen sowie das benötigte Personal über eine kommunale Nahverkehrsabgabe finanzieren wollten. „Das wäre definitiv nicht darstellbar“, sagte Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, der dpa. „Es ist ein Landesprojekt, hinter dem wir stehen.“ Aber die Basisinfrastruktur müsse vom Land finanziert werden.

Für Busse und Stadtbahnen sind die Landkreise zuständig. Bei der freiwilligen Nahverkehrsabgabe könnten die Kommunen entscheiden, ob sie alle Einwohner oder nur die Autofahrer zur Kasse bitten. Bei einem Modellversuch in vier Kommunen waren Monatsbeiträge von 10 bis 57 Euro im Gespräch. Dem Vernehmen nach rechnet das Land damit, dass mit einer Nahverkehrsabgabe 800 Millionen Euro in die kommunalen Kassen gespült werden könnten.

Ein Flickenteppich droht

Der Landkreistag glaubt jedoch nicht daran, dass alle Kreise die neue freiwillige Abgabe einführen wollen - schon allein deshalb, weil sie kompliziert zu erheben sei. „Es besteht die Gefahr eines Flickenteppichs“, sagte Komorowski. Zudem berge die Abgabe ein „hohes Erregungspotenzial“, was die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern angehe. Wenn das Land das Projekt durchziehen wolle, seien die Kommunen durchaus bereit, über den kommunalen Finanzausgleich ihren Beitrag zu leisten. Auch seien die Kreise bereit, die bestehende Infrastruktur aus eigener Kraft zu stärken.

Unterstützung kam von der FDP: „Die neue grün-schwarze Landesregierung macht es sich zu Lasten der Kommunen sehr einfach“, sagte Verkehrsexperte Jochen Haußmann. „Insbesondere im ländlichen Raum stellt sich die drängende Frage, ob es tatsächlich dem Klimaschutz dient, zusätzliche leere Busse durch die Gegend fahren zu lassen. Mir kommt es eher so vor, als werde der Versuch einer Verkehrs-Bevormundung mit der Brechstange unternommen.“

Komorowski zeigte sich überzeugt, dass der Ausbau wegen des coronabedingten Geldmangels bei Land und Kommunen zunächst nur schrittweise möglich sei. „Man muss sich über einen Stufenplan verständigen“, sagte er. Am Donnerstagabend treffen sich die Spitzen von Grünen und CDU um Kretschmann und CDU-Landeschef Thomas Strobl mit den kommunalen Spitzenverbänden.