Bereitschaftspolizisten tragen bereits heute eine Kennung auf dem Rücken ihrer Uniformen. Hier Beamte der 1. Bereitschaftspolizeidirektion in Bruchsal, 2. Einsatzabteilung, 3. Zug, bei der Querdenkerdemonstration am vergangenen Wochenende. CDU und Grüne wollen dennoch eine Kennzeichnung für Polizisten einführen. Foto: 7aktuell.de/ | Andreas Werner

Die Gewerkschaftler sollen die umstrittene Kennzeichnungspflicht und ein Antidiskriminierungsgesetz durchwinken. Die sehen darin ein Misstrauensvotum gegen die gesamte Polizei. Zumal sie glauben, dass politische Machtspiele hinter der Einführung der Regelungen stecken.

Stuttgart - Um die Koalitionsverhandlungen zwischen Grünen und Christdemokraten harmonisch zu gestalten, wollte der CDU-Abgeordnete Siegfried Lorek Baden-Württembergs Polizeigewerkschaften auf Linie bringen. In einer Videokonferenz am vergangenen Freitag forderte der Vorsitzende des auch für Inneres und damit die Polizei zuständigen Verhandlungsteams der Unio die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und den Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) auf, kein „großes Ding aus der Sache zu machen“. Sie sollen genau die Kröte schlucken, gegen die sie sich Polizisten vehement zur Wehr setzen – und die auch ein Herzenswunsch der Grünen ist: Polizisten sollen durch eine Kennzeichnung noch besser persönlich identifizierbar sein. Zudem soll ein Antidiskriminierungsgesetz eingeführt werden.

Mit dem sollen Menschen vor behördlicher Diskriminierung geschützt werden. Ein vergleichbares Gesetz in Berlin sieht vor, dass Beamte gegen sie vorgebrachte Beschuldigungen widerlegen müssen. Eine Umkehr der in Deutschland geltenden Unschuldsvermutung, nach der einem Menschen sein Vergehen nachgewiesen werden muss. „Selbstverständlich verurteilen wir Diskriminierung in jeder Form, und genau deshalb weisen wir die hier praktizierte Sichtweise mit pauschalisierten Vorverdächtigungen strikt von uns. Die angestrebte Beweislastumkehr wird von unseren Beschäftigten als Misstrauensvotum empfunden“, beschreibt GdP-Chef Hans-Jürgen Kirstein die Gefühlslage seiner Mitglieder.

„Wie eine Prostituierte auf dem Straßenstrich“

Von einem „Schlag in die Misstrauenskerbe gegen die ganze Polizei“, spricht Steffen Mayer, Vorsitzender des BDK. Und Ralf Kusterer, DPolG-Landeschef, wettert: „Beide Regelungen sind Misstrauen gegen die Polizei. Sie scheinen ein Zugeständnis des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann an seine Basis zu sein.“ In der jüngsten Ausgabe der Verbandszeitung zeigte sich Kusterer irritiert über die CDU und ihre Verhandlungsstrategie, die „auf eine Art und Weise um die Gunst der Regierungsbeteiligung buhlen, wie Prostituierte auf dem Straßenstrich“. Kusterer kündigt energischen Widerstand gegen die grün-schwarzen Vorhaben an.

Selbst altgediente Christdemokraten unken, dass Kretschmann mit den beiden Initiativen der grünen Basis die ungeliebte Koalition mit der CDU schmackhaft machen will. Die Nachwuchsorganisation „ Grüne Jugend“ fordert beispielsweise eine Entwaffnung und eine deutliche geringere Stärke der Polizei. „Dieses Geschenk will Lorek auf dem Rücken der Polizei liefern“, ist sich einer seiner Fraktionskollegen sicher.

Kritik kommt von FDP-Mann Nico Weinmann: „Sollte es zutreffen, dass Lorek kritischen Stimmen aus der Polizei einen Maulkorb anzulegen versucht, wäre dies politisch zutiefst befremdlich. Er betont ständig, dass er früherer Polizist ist. Vielleicht sollte er sich bei den aktiven Kollegen erkundigen, was sie vom Antidiskriminierungsgesetz, Kennzeichnungspflicht und seinem Auftreten gegenüber den Gewerkschaften halten.“ Lorek, erst vergangene Legislatur ins Parlament gewählt, strebt nach höheren Aufgaben im Innenressort.

Wegen des Antidiskriminierungsgesetzes sollten keine Polizisten mehr nach Berlin

Weinmann tadelt, dass Thomas Strobl (CDU) erneut beweise , was seine Schön-Wetter-Rhetorik wert ist. Der Innenminister hatte im vergangenen August gedroht, keine Bereitschaftspolizisten mehr wegen des dort geltenden Antidiskriminierungsgesetzes nach Berlin zu schicken. Erst als der Senat der Hauptstadt zusicherte, auch für baden-württembergische Polizisten das Gesetz nicht anzuwenden, unterstützte auch der Südwesten wieder Berlin.

„Nun will er genau ein solches Gesetz im Land. Es ist ein Misstrauensbeweis der Politik an die Polizei, wenn künftig jedermann behaupten kann, er sei von der Polizei diskriminiert worden, und der betreffende Polizist mühsam seine Unschuld beweisen muss.“ Die CDU werfe für die Aussicht auf ein paar Posten in der Landesregierung als Juniorpartner der Grünen jegliche Prinzipien über Bord.

Der SPD-Innenexperte Sascha Binder sagt voraus, das jeder, der „Polizistinnen, Polizisten und ihren Gewerkschaften einen Maulkorb verhängen will, einen Scherbenhaufen hinterlässt. Wenn hinter verschlossenen Türen über solche Angelegenheiten diskutiert würde, während die Betroffenen stillhalten sollen, wäre das ein Vertrauensbruch, den unsere Polizei nicht verdient hat.“

„Vernünftige Schritte können nur mit der Polizei erfolgen“

Grundsätzlich halte die SPD es für sinnvoll, in der ganzen Gesellschaft gegen mögliche Diskriminierung vorzugehen. Dies müsse auch die Polizei einschließen. „Ausdrücklich nicht, weil die Polizei ein besonderes Problem mit Rassismus oder Diskriminierung hätte, sondern einfach weil auch unsere Polizei Teil der Gesellschaft ist.“ Aber gerade weil die SPD in Baden-Württemberg höchstes Vertrauen in die Polizistinnen und Polizisten habe, könne jeder vernünftige Schritt nur gemeinsam mit der Polizei erfolgen. „Erfolg wird sich nur einstellen, wenn die mit im Boot ist und gehört wird. An diesem sensiblen Punkt darf nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden werden.“

In Baden-Württemberg sind bereits heute Bereitschaftspolizisten durch Rückenkennzeichnungen identifizierbar.