Das Treffen der Koalitionsspitzen im Kanzleramt verlief zur Überraschung der Teilnehmer außerordentlich harmonisch. Foto: dpa/Dorothée Barth

Zuletzt schien der Ton zwischen Union und SPD unfreundlicher zu werden. Der Koalitionsgipfel verlief zur Überraschung der Teilnehmer nun außerordentlich harmonisch. Einer brachte sogar zum Einstand Geschenke mit.

Berlin - Schon vor Mitternacht sind die Milliarden im Koalitionsausschuss verteilt gewesen. Und das ohne großen Streit. Die SPD hat weitere Coronahilfen für Familien und eine Sonderzahlung für Geringverdiener durchgesetzt, die Union Entlastungen für Unternehmen. Der frisch gewählte CDU-Vorsitzende Armin Laschet führte sich als Neuzugang in der Runde mit einem kleinen Geschenk ein. Entsprechend gut gelaunt sind die Teilnehmer bei ihren abendlichen Statements vor dem Tor des Bundeskanzleramts.

Von einer „sehr guten Arbeitsatmosphäre“ berichtet Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Diesen Eindruck teilt die SPD-Vorsitzende Saskia Esken: „Wir haben großen Wert daraufgelegt, dass alle Beteiligten ihre Punkte setzen können. Und wir haben bei keinem Punkt weder großen Widerstand geleistet, noch großen Widerstand erlebt.“ Auch der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ist zufrieden und spricht von einem „rundum gelungenen“ Abend.

Scholz sauer über Impfstoffbeschaffung: „Scheiße gelaufen“

Allerdings räumt Dobrindt auch ein, dass er von der großen Harmonie der Runde bei Kanzlerin Angela Merkel etwas überrascht gewesen ist. Dies sei schließlich nicht zwingend zu erwarten gewesen, „weil man bei den ein oder anderen Äußerungen im Vorfeld das Gefühl hatte, dass man sich im Wahlkampfmodus befinden könnte“, will sich der CSU-Politiker einen kleinen Seitenhieb auf den Koalitionspartner SPD nicht verkneifen.

In den Tagen zuvor hatten die Sozialdemokraten die Impfstoffbeschaffung in der Europäischen Union und den Start der Impfkampagne in Deutschland heftig kritisiert. Das zielte auf EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Gesundheitsminister Jens Spahn, beide von der CDU. Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wird aus einer Sitzung des Coronakabinetts am Montag mit den Worten zitiert, die Sache mit der Impfstoffbestellung sei „richtig scheiße“ gelaufen.

Laschet verschenkt zum Einstand Heine-Gedichtband

Doch die Verstimmungen der vergangenen Tage hängt beim Koalitionsausschuss allenfalls in den ersten Minuten im Raum, so wird es berichtet. Bei den von der SPD geforderten Hilfen geht es dann noch einmal etwas hin und her: Der im vergangenen Jahr bereits gezahlte Kinderbonus in Höhe von 300 Euro soll nach dem Willen der SPD noch einmal ähnlich hoch ausfallen, die Union bietet deutlich weniger. Handelseinig wird man sich schließlich bei 150 Euro.

Zudem werden heikle Themen wie das Impfen und die Suche nach einer Corona-Öffnungsstrategie nicht angesprochen. Dafür ist die Ministerpräsidentenkonferenz zuständig, die in den vergangenen Monaten im Gegensatz zum Koalitionsausschuss sehr oft zu Beratungen zusammengerufen worden ist. CDU-Chef Armin Laschet lockert zudem die Atmosphäre zu Beginn des Treffens auf: Zum Einstand schenkt er den anderen am Tisch einen blau gebundenen Band des Dichters Heinrich Heine.

Drei mögliche Merkel-Nachfolger am Tisch

Heine ist in Düsseldorf geboren, wo Laschet als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident regiert. Wie lange noch, diese Frage wurde an dem harmonischen Abend nicht erörtert – sie gehörte einerseits nicht dorthin, andererseits hätte sie die gute Stimmung stören können. Schließlich saßen mit Olaf Scholz, Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder gleich drei mögliche Nachfolger von Angela Merkel mit der Kanzlerin am Tisch. Ob sie den Besuch im Kanzleramt insgeheim auch für Überlegungen nutzen, wo sie ihren Schreibtisch hinstellen würden, ist nicht überliefert.

So bleibt als Fazit, dass das schon so oft totgesagte schwarz-rote Bündnis trotz der zahlreichen Personalwechsel in dieser Legislaturperiode auch zum Auftakt des Superwahljahres noch erstaunlich gut funktioniert. „Wir hatten alles in allem einen sehr harmonischen Koalitionsausschuss“, zieht Brinkhaus Bilanz. „Das zeigt, dass in der Krise die Koalition durchaus handlungsfähig ist.“