Olaf Scholz (v. re.), Robert Habeck und Christian Lindner gemeinsam auf der Regierungsbank Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nach rund 29 Stunden Beratung im Koalitionsausschuss taugt die Regierungsbefragung im Bundestag als Stimmungsbild für den Zustand der Ampel.

Das Mikro ist einen kurzen Moment lang zu leise – fast wie ein Zeichen, dass in dieser Ampelregierung momentan alles mit ein bisschen Verzögerung passiert. Dann aber kann der Kanzler doch gut hörbar mit dem Eigenlob nach dem Koalitionsausschuss loslegen.

„Die Regierung hat sich vorgenommen, dieses Land zu modernisieren“, sagt Olaf Scholz in seinem Eingangsstatement zur Regierungsbefragung im Bundestag. „Dafür zu sorgen, dass die Dinge, die für unsere Zukunft wichtig sind, schneller funktionieren als in den letzten Jahrzehnten.“ Die Koalition habe jetzt „sehr konkrete Verabredungen“ getroffen, um die Infrastruktur zu modernisieren und Planungsverfahren zu beschleunigen.

Wenn der Kanzler im Bundestag den Parlamentariern Rede und Antwort steht, ist der Aufenthalt für Minister im Gremium verlorene Zeit – sie sind ja selbst nicht gefragt. Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Robert Lindner sitzen trotzdem einige Minuten neben Olaf Scholz – bis sie von parlamentarischen Staatssekretären abgelöst werden. Es geht jetzt wohl auch darum, ein gemeinsames Bild von den dreien zu zeigen.

Es liegen turbulente Tage hinter der Koalition. Zwanzig Stunden – und damit weit mehr als eine Nacht hindurch – haben die Spitzen von SPD, Grünen und FDP von Sonntag auf Montag im Koalitionsausschuss verhandelt. Nach einer Unterbrechung sind sie dann am Dienstag endlich am frühen Abend fertig geworden. Vorgelegt haben sie ein 16-seitiges Papier, in dem es um Planungsbeschleunigung, Klimaschutz und Verkehr geht.

Ricarda Lang: „Wir haben Fortschritt mit drin.“

Die Grünen, das ist klar, sind nicht superglücklich mit den Ergebnissen. „Das, was wir beschlossen haben, reicht noch nicht“, sagt Parteichefin Ricarda Lang bereits am Mittwochmorgen im Deutschlandfunk. „Aber wir haben Fortschritt mit drin.“ Umweltschutzverbände üben heftig Kritik. Denn schneller gebaut werden soll nicht nur für die Bahn, sondern auch 144 Autobahnabschnitte. Die scharfen Sektorziele beim Klimaschutz sollen künftig flexibler gehandhabt werden. Kein grünes Wunschprogramm.

Haben sich die Grünen – gemeinsam von SPD und FDP – über den Tisch ziehen lassen? Deutlich geworden ist zumindest, dass Sozialdemokraten und Liberale mehr gemeinsame Interessen haben, als viele denken. Die FDP hält die Grünen beim Klimaschutz für zu fixiert auf Verbote. Die SPD will den Wandel sozial abfedern. Und: Kanzler Olaf Scholz dürfte wissen, dass Autofahrer eine große Wählergruppe sind.

Alexander Dobrindt: „Das ist, glaube ich, nicht mal ein Wümmschen.“

Vizekanzler Habeck schaut, während er neben Scholz sitzt, starr nach vorn. Ein verschmitztes Lächeln lässt er erst aufblitzen, als Scholz Aufregung in die Reihen der Union bringt mit dem Satz: „Der Stillstand der letzten Jahrzehnte, den wir konservativer Politik zu verdanken haben, ist endgültig beendet.“ Scholz sagt das, als sei die SPD 20 Jahre Oppositionspartei gewesen.

„Das ist kein Wumms, das ist schon gar kein Doppel-Wumms. Das ist, glaube ich, nicht mal ein Wümmschen“, so hat CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt das Ergebnis des Koalitionsausschusses bereits vor der Regierungsbefragung im Bundestag kritisiert. Und außerdem gespottet: „Ein Eindruck, den man gewinnen kann, ist, dass die Grünen ziemlich gerupft aus dieser Veranstaltung herausgehen.“

Die FDP findet, es läuft gerade gut mit der SPD

Spannend ist in der Regierungsbefragung an diesem Tag auch, wie die Abgeordneten der eigenen Koalition dem Kanzler begegnen. Die Grünen fragen bevorzugt nach Themen, die im Koalitionsausschuss keine Rolle spielten: vom Wunsch nach einem schärferen Waffenrecht bis hin zur Entwicklungspolitik. Die FDP-Abgeordnete Carina Konrad fragt hingegen, für wie bedeutend der Kanzler die Beschleunigungspunkte für die verschiedenen Verkehrsträger – einschließlich der Straße – hält, die der Koalitionsausschuss beschlossen hat. Da antwortet der Kanzler gern. Überraschung! Er hält die Sache für irre wichtig.

In der FDP finden an diesem Tag viele, dass es gerade gut läuft mit der SPD. „Es hat sich bei aller Aufgeregtheit gezeigt, dass es gut ist, dass es in der Koalition zwei ruhende Pole gibt“, sagt der FDP-Vize Wolfgang Kubicki unserer Zeitung. Die Grünen meint er damit nicht.