Aus Sicht des Solar Clusters Baden-Württemberg müssten Unternehmen schon aus Gründen der Rendite an Solarmodulen auf dem Firmendach interessiert sein. Foto: dpa/Marijan Murat

Bei einem Informationsabend für Waiblinger Unternehmen ist den Betrieben die Nutzung der Sonnenergie schmackhaft gemacht worden. Auch begrünte Dächer helfen dem Klima, auch wenn das Abstriche bei der Rendite bedeutet.

Wenn es um die Ausweisung neuer Wohngebiete geht, gehört eine Bestückung der Dächer mit Solarzellen zum Pflichtprogramm. Auch bei Sanierungen ist in Baden-Württemberg seit dem Jahreswechsel gesetzlich vorgeschrieben, mindestens 60 Prozent der solargeeigneten Dachfläche mit Modulen zu belegen. Schwerer tun sich die Kommunen im Südwesten mit Bestandsbauten – obwohl in vor Jahren und Jahrzehnten entstandenen Siedlungen und Gewerbearealen nach wie vor ein großes Potenzial schlummert. In Waiblingen sind Stadtverwaltung und Wirtschaftsförderung jetzt gezielt auf Unternehmen zugegangen, um für die Nutzung der Sonne zu werben.

Warum sind Unternehmen so wichtig für das Erreichen der Klimaziele? Waiblingen hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu werden. Da ist es zu wenig, nur auf die Umstellung des kommunalen Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge zu setzen und ein paar Sporthallen und öffentliche Einrichtungen mit Solarzellen auszustatten. Die Masse macht’s beim Klimaschutz. Erreichbar ist die Marke nur, wenn auch Hausbesitzer und Firmenchefs ihr grünes Herz entdecken. „Die Musik spielt bei den privaten und gewerblichen Projekten“, sagt Patrik Henschel, Leiter des Fachbereichs Stadtplanung im Waiblinger Rathaus. Anders gesagt: Nur wenn viele verschiedene Akteure sich für das Thema begeistern lassen, tut sich etwas.

Was hat es mit der Solarpflicht auf sich? Seit dem Jahreswechsel müssen neben Neubauten auch bestehende Gebäude mit einer Photovoltaik-Anlage versehen werden – und zwar immer dann, wenn eine grundlegende Dachsanierung ansteht. Gefordert wird vom Land, dass 60 Prozent der solargeeigneten Dachfläche mit Solarmodulen belegt werden. Die Regel gilt auch für Dächer von Parkplätzen mit mehr als 35 Stellflächen. Allerdings kann zur Erfüllung der gesetzlichen Auflage auch auf Solarthermie gesetzt werden. Im Südwesten gibt es pro Jahr etwa 50 000 Dachsanierungen. Außerdem kalkuliert das Umweltministerium mit jährlich 11 000 neu erbauten Wohnhäusern und 3500 nicht zu Wohnzwecken genutzten Neubauten. Erwartet wird deshalb, dass die Zahl der installierten Solaranlagen sprunghaft steigt.

Für welche Dächer trifft der Begriff „solargeeignet“ überhaupt zu? Als solargeeignet gelten alle Dachflächen, die nach Süden, Westen oder Osten ausgerichtet sind und nicht oder allenfalls geringfügig verschattet werden. Zudem muss zumindest eine ihrer Einzeldachflächen eine zusammenhängende Mindestfläche von 20 Quadratmetern aufweisen. Dächer mit einer Dachneigung von mehr als 20 Grad, die nach Norden zeigen, werden als nicht geeignet eingestuft. Für eine Solarnutzung generell als ungeeignet gelten Gebäude mit einer Nutzfläche von weniger als 50 Quadratmetern. Für denkmalgeschützte Gebäude wird die Solarpflicht im Einzelfall überprüft.

Was sagt die Wirtschaft zu den Vorgaben des Landes Baden-Württemberg? Dass sich die Installation von Solarzellen nicht nur für den Klimaschutz lohnt, sondern auch finanziell rechnet, daran hat zumindest Franz Pöter keinerlei Zweifel: „Die Solarpflicht ist nur für die Leute, die es leider immer noch nicht kapiert haben“, sagt der Geschäftsführer des Solar Cluster Baden-Württemberg, einem Branchenverband mit mehr als 70 Mitgliedsunternehmen.

Wer sich eine Solaranlage aufs Dach setze, bekomme die Kilowattstunde Strom für einen im Vergleich mit den Rechnungen der Energieversorger unschlagbar günstigen Preis. Die Faustregel für die Kalkulation hat Lobby-Mann Pöter schon parat: Bei kleinen Dachflächen koste die Kilowattstunde etwa zwölf Cent, bei großen Dachflächen könne für den Eigenverbrauch teilweise sogar mit neun Cent kalkuliert werden. Besonders attraktiv sind Freiflächen-Anlagen – Franz Pöter rechnet hier mit Kosten von gerade mal sechs Cent pro Kilowattstunde. „Wer seinen Solarstrom selbst produziert, fährt günstiger als mit jedem Industrietarif – und bleibt das mindestens 20 Jahre lang, ohne die Gefahr einer Preissteigerung. Und gerade der Mix aus Einspeisung und Eigenverbrauch ergibt auch für Gewerbebetriebe eine ansehnliche Rendite“, sagt der studierte Verwaltungswissenschaftler.

Lohnt sich die Nutzung von Solartechnik für Unternehmen? Eine Beispielrechnung für eine mittelgroße Anlage von 200 Kilowatt Leistung zeigt: Rund 925 Euro pro Kilowattstunde installierte Leistung müssen Unternehmen investieren. Das sind 185 000 Euro. Einspeisevergütung und Stromverkauf summieren sich in 25 Jahren auf 494 000 Euro. Die Amortisationszeit einer solchen Photovoltaik-Anlage liegt bei etwa 9 Jahren, die jährliche Rendite beträgt 3 Prozent. „Wird der erzeugte Solarstrom im Unternehmen selbst verbraucht, steigt der Gewinn sogar“, sagt Franz Pöter. Die Speicherung von Solarstrom ist für Unternehmen indes meist noch zu teuer, weil sie für Einspeisung bessere Preise bekommen als Privathaushalte. In Einzelfällen ist ein Speicher interessant, wenn er teure Lastspitzen kappen hilft - mit sinkenden Speicherkosten wird der Einsatz wirtschaftlicher. Laut Franz Pöter ist noch vor der Sommerpause ein Förderprogramm für die Solar-Belegung von Parkplätzen zu erwarten.

Was hält die Solarbranche von Dachgrün? Eine Kombination aus Photovoltaik und einem begrünten Dach funktioniert, hat aus Sicht des Solar Clusters Baden-Württemberg aber zwei Nachteile: Erstens wird durch die erforderlichen Abstände zwischen den Einzelmodulen auch weniger Solarstrom produziert als bei einer Vollbelegung der Dachfläche. Und zweitens entsteht ein Mehraufwand durch den Landschaftsgärtner, der für das Mähen ab und an aufs Dach muss.

Was spricht für ein begrüntes Dach? Gerade in einer Siedlungsfläche wie der Waiblinger Altstadt wird klar, dass begrünte Dachflächen eine segensreiche Wirkung entfalten können. Neben dem Temperaturausgleich eines in den Sommermonaten schnell überhitzten Stadtraums durch die Verdunstung ist auch die Verbesserung der Luftqualität durchs zusätzliche Grün nicht zu unterschätzen. Auch für die Artenvielfalt ist es gut, wenn auf dem Dach etwas blüht.

„Ein Quadratmeter begrünter Dachfläche speichert 30 Liter Wasser und senkt die Temperatur um 1,5 Grad“, bringt es Gunter Mann vom Branchenverband Gebäudegrün auf den Punkt. Er verweist neben der reduzierten Belastung der Abwasserkanäle durch den verbesserten Regen-Rückhalt auch auf Kostenvorteile: Durchs Substrat auf der Dachhaut ergibt sich nicht nur eine Dämmwirkung und damit eine Einsparung bei der Energie. Das Dach selbst wird auch vor Sonnenlicht und Hagelschäden, Schmutz und Temperaturschwankungen geschützt. „Ein Flachdach muss im Normalfall spätestens nach 20 Jahren saniert werden. Mit einer Dachbegrünung verschiebt sich der Zeitpunkt nach hinten“, sagt der Experte.

Mit welchen Kosten muss man rechnen? Aus der Sicht des Fachverbands kostet eine Dachbegrünung auch nicht die Welt: Pro Quadratmeter muss bei einer Industriehalle mit etwa 50 Euro gerechnet werden. Allerdings ist bei vielen Gewerbebauten die Statik ein wunder Punkt: Extensivbegrünungen wiegen in der Regel zwischen 80 und 170 Kilogramm pro Quadratmeter, auf dickem Substrat wachsende Blühwiesen kommen schnell auf eine Last von bis zu 300 Kilo pro Quadratmeter. Eine Extensivbegrünung, wie sie oft auf Carports und Garagen zu sehen ist, wiegt etwa 120 Kilogramm pro Quadratmeter, was einer Kiesschicht von fünf bis sechs Zentimetern entspricht.