Autoschrott in einer Höhle zeigt, was Menschen teils der Natur hinterlassen. Das Festival im Studio-Theater beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Mensch, Umwelt und Klima. Foto: Studio-Theater

Das kleine Studio-Theater stemmt ein großes Festival: „KlimAct“ setzt sich sechs Wochen lang mit der Klimakrise auseinander.

Man muss es so sagen: Die Pandemie hatte auch ihr Gutes. Anders als die Menschheit, die bis heute unterm Coronavirus leidet, hat die Natur aus den Lockdowns das Beste gemacht und sich erholt, wenn auch nicht nachhaltig genug, um die „Feinstaubfresser“ aus dem Stuttgarter Stadtbild verschwinden zu lassen. Schwarze Würfel, am Straßenrand aufeinandergetürmt, deren Filter die Luft reinigen sollen, dem Laien aber doch wie Ausgeburten schwarzer Magie erscheinen. Eine etwas andere Magie verbreitet das Studio-Theater in der mit „Feinstaubfressern“ gesäumten Hohenheimer Straße. Es ist die Magie der Kunst – und sie dient nun dazu, sich der Verpestung von Luft und Umwelt in all ihren Aspekten zu stellen.

Theaterstücke, Lesungen, Interaktives

„KlimAct“ heißt das Festival, das vom 27. April bis 11. Juni sechs Wochen lang das trotz Corona und Krieg drängendste Problem der Menschheit beleuchtet. Vier Stücke von drei Regisseuren, dazu szenische Lesungen, Vorträge und das interaktive Format „Raten nach Karten“, worin Boris Rosenberger gemeinsam mit Zuschauern die Farben, Pfeile und Grafiken von Weltkarten interpretiert. Für die Off-Bühne ist das Festival eine „gewaltige Herausforderung“, wie der Intendant Christof Küster sagt, der sich dabei selbst keineswegs schont. „Gewöhnlich geht’s im Theater um Zwischenmenschliches, jetzt steht die Natur im Zentrum. Für ihre Darstellung brauche ich andere theatralische Mittel und Texte.“ Also inszeniert er zwei Sachbücher mit eigens von ihm erstellten Bühnenfassungen.

Die Natur fordert besondere Bühnenmittel

Wie die neue Ästhetik aussehen kann, zeigt die Probe zu „Im Unterland“ des 45-jährigen britischen Naturschriftstellers Robert Macfarlane. An den Bühnenwänden hängen wie Schnüre bunte Elektrokabel, deren Bedeutung sich bald klärt. Der Weg ins Unterland – das raunt Karlheinz Schmitt zu Pianoklängen von Sebastian Schäfer ins Mikrofon – führt über den gespaltenen Stamm einer Esche. Und dort stoße man aufs Wood Wide Web, aufs Internet der Bäume: Wenn ein Baum krank ist, führen ihm andere Bäume über ihr unterirdisches Netzwerk Nährstoffe zu. Traumwandlerisch verknüpft Schmitt die Kabel dieses genialen WWW, das ein „sozialistisches System der Ressourcenverteilung“ bilde. Aber trifft „sozialistisch“ hier zu? Brauchen wir für die Naturbeschreibung nicht ein neues, ganz anderes Sprachsystem, wie Macfarlane mutmaßt?

Sachbücher über Umwelt und Natur als Grundlage

Der Schriftsteller wandelt nicht zuletzt auf den Spuren von Peter Wohlleben und dessen Bestseller vom „Geheimen Leben der Bäume“, geht aber weit darüber hinaus – schon gar in Küsters Bearbeitung zur Festivaleröffnung, wo Poesie und Philosophie des „Unterlands“ unter einem melancholischen Zauber stehen. Einen Monat später, am 28. Mai, bringt er ein zweites Sachbuch auf die Bühne, „Die Welt mit uns – Countdown“ von Alan Weisman zu Wachstum und Natur, abermals mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Maria Martinez Pena, die alle Projekte von „KlimAct“ ausstattet. Um auf die Pandemie zurückzukommen: „KlimAct“ sollte schon vor zwei Jahren blitzschnell realisiert werden. Dann kam das Virus. Aber heute könnte das Festival so wertvoll sein wie noch nie.

Weitere Informationen unter www.studiotheater.de