Einer der letzten großen Verlegerpersönlichkeiten: Klaus Wagenbach Foto: dpa/Rainer Jensen

Zwischen Literatur, Politik und Italien ist Klaus Wagenbach in seinem Element. An diesem Freitag feiert „Deutschlands höchstvorbestrafter Verleger“ seinen neunzigsten Geburtstag.

Stuttgart - Das muss man erst einmal unter einen Hut bringen: revolutionären Geist mit dem Bundesverdienstkreuz am Hals und diversen anderen Nobilitierungen wie den Ernennungen zum Cavaliere della Repubblica Italiana oder zum Ritter der französischen Ehrenlegion. Klaus Wagenbach ist dieses Kunststück gelungen. Mit grandseigneuralem Gleichmut hat er diverse Prozesse als „Verleger des Baader-Meinhof-Verlags“ überstanden und den Deutschen den Weg nach Italien gebahnt, auf Wegen die Kafka mit Pasolini oder dem Renaissancekünstler Giorgio Vasari verbinden.

Der „Baader-Meinhof-Verlag“ heißt mit bürgerlichem Namen nach seinem Gründer Wagenbach Verlag. Und war über viele Jahre hinweg der Resonanzraum für das ideologische Schlachtgetümmel der alten Bundesrepublik. Hier prallten Literatur und Politik heftig aufeinander. Bis das verlegerische Kollektiv in den siebziger Jahren unter dem Eindruck der zunehmenden Militanz des Denkens zerbrach und die Spaltung in die Verlage Wagenbach und Rotbuch erfolgte.

Kafkas dienstälteste Witwe

Dabei bleibt es allemal erstaunlicher, was es dem am 11. Juli 1930 in Berlin geborenen Buchmenschen zusammenzuhalten gelang. Sein 1964 gegründeter Verlag bot Autoren aus beiden Teilen Deutschlands Obdach, Günter Grass, Rudi Dutschke auf der einen Seite, Stephan Hermlin und Wolf Biermann auf der anderen. Mit der Zeit hat der Geist der Utopie eine entschieden italienische Färbung angenommen. Von Pasolinis „Freibeuterschriften“ wurden in den späten Siebzigern fast hunderttausend Exemplare verkauft. Mit Carlo Ginzburgs „Der Käse und die Würmer“ hielt die neue Schule der Alltagshistoriker Einzug, mit den Büchern von Horst Bredekamp die Kunstgeschichte.

Klaus Wagenbachs eigene Geschichte lässt sich aus seinen Beinamen erhellen, „Deutschlands höchstvorbestrafter Verleger“ oder „Kafkas dienstälteste Witwe“, wie er sich selbst gern bezeichnet, weil er der Wirkungsgeschichte des Prager Autors neue Wege gewiesen hat. Eine weitere Bezeichnung umfasst sie alle: „Der letzte Große seiner Zunft“.