Markus Braun, Vorstandsvorsitzender der Wirecard AG, spricht auf der Hauptversammlung 2019 zu – damals noch mehrheitlich zufriedenen – Aktionären. Doch schon damals war der Dax-Konzern mit Manipulationsvorwürfen konfrontiert worden. Foto: dpa/Peter Kneffel

Wer mit Aktien des insolventen Skandal-Konzerns Wirecard Geld verloren hat, wird aus dessen Insolvenzmasse laut einem Gerichtsurteil wohl keinen Cent bekommen. Die Begründung der Richterin hierzu ist eindeutig.

Susanne Lukauer vom Landgericht München hat kurzen Prozess gemacht. Nur zehn Minuten brauchte die für Bank- und Finanzgeschäfte zuständige Richterin, um in ihrem Urteil (Aktenzeichen 29 O 7754/21) zu verkünden, dass sie eine Klage der Fondsgesellschaft Union Investment abweist. Damit bleiben Aktionäre des Skandalkonzerns Wirecard insolvenzrechtlich Gläubiger zweiter Klasse, die aus dessen Insolvenzmasse wohl keinen Cent sehen werden. „Kapitalmarktrechtliche Schadenersatzforderungen können nicht als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle angemeldet werden“, formulierte die Richterin. Damit sei nicht gesagt, dass seitens der Aktionäre grundsätzlich keine Schadenersatzansprüche bestehen, schickte sie ausdrücklich hinterher.

Im Dezember beginnt der Prozess gegen Markus Braun

Denn um hohe Summen betrogen wurden Tausende Anleger im Fall der mutmaßlichen Kriminalinsolvenz von Wirecard mit hoher Wahrscheinlichkeit. Anfang Dezember beginnt in München ein Prozess gegen den früheren Wirecard-Chef Markus Braun und zwei andere Angeklagte, der die Pleite des einstigen Dax-Konzerns strafrechtlich aufarbeiten wird. Es geht dabei um Vorwürfe des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, der Untreue und anderer Delikte, die mehrfache Milliardenschäden verursacht haben.

Richterin Lukauer hatte aber nicht diese Vorwürfe zu entscheiden, sondern an welcher Stelle Aktionäre insolvenzrechtlich stehen. Dabei gilt grundsätzlich, dass sie erst an Geldern aus einer Insolvenzmasse beteiligt werden, wenn vorrangige Gläubiger wie kreditgebende Banken oder solche, die eine Unternehmensanleihe gezeichnet haben, vollständig entschädigt wurden. Im Fall von Wirecard hat Insolvenzverwalter Michael Jaffé gut eine Milliarde Euro Insolvenzmasse gesichert. Dem stehen Forderungen von Banken und Anleihegläubigern von 3,1 Milliarden Euro gegenüber. Aktionäre wollen weitere sieben Milliarden Euro.

Für Aktionäre dürfte nichts übrig bleiben

Damit ist klar, dass für Aktionäre nichts übrig bleibt, wenn an dieser Rangfolge nicht gerüttelt wird. Genau das hat Union Investment jetzt mit einer Klage gegen Jaffé vor dem Landgericht versucht und dabei die Besonderheiten dieses Falls betont. Aktionär von Wirecard seien Betroffene nur geworden, weil man sie vorsätzlich sittenwidrig getäuscht habe. Staatsanwälte werfen dem Unternehmen und seinen verantwortlichen Managern vor, große Teile des Umsatzes und den kompletten Gewinn mehrerer Jahre frei erfunden zu haben. Wird das im Strafprozess bestätigt, wären Wirecard-Aktonäre fraglos Geschädigte.

Nur wann kommen sie mit ihren Forderungen dran? Das allein war die Frage, die Richterin Lukauer zu entscheiden hatte. Sie tat das strikt formaljuristisch. Union Investment habe Ansprüche geltend gemacht, die auf einer Aktionärsstellung beruhen. Diese Betroffenen hätten sich seinerzeit frei dafür entschieden, in Eigenkapital, also Aktien von Wirecard zu investieren. „Über diese Investitionsform wurden sie aber nicht getäuscht“, begründet die Richterin ihr Urteil. Gemäß Paragraf 38 Insolvenzverordnung könnten aber Ansprüche, die auf einer Aktionärsstellung beruhen, grundsätzlich nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Der Umstand, dass Aktionäre im Fall von Wirecard eventuell nur durch Täuschung zu Anteilseignern geworden sind, ändere an den Grundsätzen des Insolvenzrechts nichts.

Union Investment könnte bis vor den Bundesgerichtshof gehen

„Für Anleger und Aktionäre ist das Urteil enttäuschend, da auch diese Investoren von Wirecard betrogen wurden“, kommentiert die unterlegene Union Investment. Man werde nun Rechtsmittel prüfen, sehe das Ganze aber als Präzedenzfall, der höchstrichterlicher Entscheidung bedarf. Das klingt danach, als würde die Fondsgesellschaft notfalls bis vor den Bundesgerichtshof gehen.