Ein wunderbar intimer Moment: Die Serbin Marina Abramovic (links) und die Perserin Shirin Neshat begegnen sich und diskutieren über weibliche Kunst. Foto: Verleih

Der weibliche Körper als Leinwand: Die Dokumentarfilmerin Evelyn Schels porträtiert die Künstlerinnen Marina Abramovic, Shirin Neshat, Sigalit Landau und Katharina Sieverding.

Stuttgart - Marina Abramovic, Shirin Neshat, Sigalit Landau, Katharina Sieverding haben starke weibliche Botschaften. Was sie verbindet, arbeitet die Dokumentarfilmerin Evelyn Schels in „Body of Truth“ behutsam heraus: alle vier bearbeiten Traumata und alle nutzen ihre Körper als Mittel ihrer Kunst.

„Der Geist kann lügen“, sagt die Serbin Abramovic, „der Körper nie.“ Sie wuchs als Kind linientreuer Kommunisten in Jugoslawien auf. Mal sieht man sie inmitten eines brennenden Sterns, mal versucht sie, Körper, Stimme und Geist der Altlasten zu entledigen. Bei der Biennale in Venedig wusch sie 1997 Knochen in Erinnerung an die Opfer des Balkankrieges – man müsse sich vom Schmerz befreien, sagt sie, und ihr Weg dahin sei die Kunst.

Shirin Neshat treibt ihre Entwurzelung um und an. Als Khomeini 1979 den Gottesstaat Iran errichtete, schickten die liberalen Eltern sie zum Studium nach New York. Um Frauen als Spielball geht es in ihrer Kunst und um Widersprüche: Gewalt und Schönheit, Verletzlichkeit und Stärke, islamische Tradition und Sexualität. Ihre in Farsi beschrifteten Gesichter und Hände zeugen davon.

Beide Eltern der Israelin Sigalit Landau waren Holocaust-Überlebende, ein Schuhberg auf einer Salzinsel im Toten Meer erinnert daran. Dazu kommt das gespaltene Palästina: Man sieht sie am Strand mit einem Hula-Hoop-Reifen aus Stacheldraht, der ihre Haut ritzt. „Kriegsalltag“ nennt sie die israelische Normalität, mit der sie sich nicht abfinden will.

Wer ist die größere Amazone?

Deutsche Schuld und Rechtsradikalismus sind die Themen der Fotografin Katharina Sieverding. „Warum war da so wenig Widerstand?“, fragt sie. Ihr Plakat „Deutschland wird deutscher“, ein schemenhaftes Gesicht eingerahmt von Messern, sorgte 1992 auf Plakatwänden in Berlin für Irritationen – „es hat die Angriffe vorweggenommen“, sagt sie. Die Abgrenzungen zwischen Menschen, den Geschlechtern sieht sie als Grundübel.

Kunst als Widerstand – das ist eigentlich das Thema des Films, und diese vier Frauen erfüllen es mit Leben. Am Ende treffen sich Abramovic und Neshat und erörtern in einem intimen Moment, welche von ihnen die größere Amazone ist.

Body of Truth. D 2020. Regie: Evelyn Schels. 96 Minuten. Ab 12, Atelier am Bollwerk