Zum Kinofest zum Schnäppchenpreis: Tom Cruise in „Top Gun 2“ Foto: IMAGO/Picturelux

Dieses Wochenende laden viele Betreiber in ganz Deutschland zum Kinofest. Auch in Stuttgart zahlt man fast überall einen Schnäppchenpreis . Zudem gibt es viele Aktionen. So hofft man, dass das Publikum neugierig wird und zurückkehrt.

Das erste Kino Stuttgarts war ein exklusiver Ort. Der Überlieferung nach sollen die ersten bewegten Bilder in der Villa Berg gezeigt worden sein. Herzogin Wera sah einen Film über die Krönung von Zar Nikolaus II. an. Der Film soll direkt aus St. Petersburg gekommen sein. Das war Ende des Jahres 1894. König Wilhelm II. soll zum Kino-Liebhaber geworden sein. 1907 eröffnete dann das erste Lichtspielhaus der Stadt.

Damals war das Kino die neueste Attraktion. 130 Jahre später ist es nurmehr eine von vielen Arten, die Freizeit zu verbringen. Und bewegte Bilder liefern Streamingdienste en masse und jederzeit verfügbar ins Haus. Nach zwei Coronajahren mit all seinen Einschränkungen bleibt zudem mancher Kinofreund lieber zuhause vor dem Fernseher sitzen. Den deutschen Kinos fehlen im Vergleich zu vor der Pandemie 34 Prozent an Besuchern, erzählt Karin Fritz, Chefin der Innenstadtkinos, also von Gloria, EM und Cinema. Das hat der Branchenverband erhoben. Bei ihnen selbst sind es 29 Prozent weniger als im Jahre 2019.

Das Publikum will mehr als nur Filme

Die Konsequenz: „Wir müssen uns wieder in Erinnerung bringen.“ Sagt Margarete Söhner, Marketingleiterin der Innenstadtkinos. Deshalb wird es an diesem Wochenende bundesweit das so genannte Kinofest geben, auf allen Plätzen und für alle Vorstellungen kostet der Eintritt 5 Euro. Fast alle Stuttgarter Kinos seien dabei, sagt Söhner.

Schon lange beherzigt man, dass man mehr bieten muss als nur den Film alleine. Auftritte von Regisseuren, Autoren und Schauspielern, wenn Marc-Uwe Kling da ist, wenn sein „Känguru“-Film gezeigt wird, ist es ausverkauft. Gespräche über den Film wie in der mit viel Herzblut erstellten Reihe Cinema Futuro oder der CineLounge sollen das Publikum anziehen. Doch nach wie vor sind es die Blockbuster und die bekannten Namen, die die Säle füllen: „Thor“, der neueste Marvel-Streifen, „Freibad“ von Dorris Dörrie, oder die Verfilmung der Krimis von Rita Falk „Guglhupfgeschwader“.

Das Bekannte funktioniert

Die zehn bestbesuchten Filme zogen dieses Jahr 56 Prozent der Zuschauer an, 2019 waren es 39 Prozent. Das deckt sich mit dem was auch Theaterschaffende und Konzertveranstalter erzählen, das Bekannte funktioniert sehr gut; Unbekanntes, Künstler und Filme, die es zu entdecken gilt, finden kein Publikum mehr. Ob es Unsicherheit wegen Corona ist, Entwöhnung, Inflation und steigende Energiekosten, Erklärungsansätze gibt es, letztgültig sind sie alle nicht.

Auf jeden Fall muss man etwas Besonderes bieten, das versuchen sie an den Innenstadtkinos dieses Wochenende. Man kann auf der Kinoleinwand Computerspiele spielen, das sei sehr gefragt, sagt Söhner. Ebenso findet die Doppelvorstellung von Top Gun und Top Gun 2 großen Anklang, auch die Preview des Til-Schweiger-Films „Lieber Kurt“. In eigener Sache präsentiert man Kinotechnik und die Historie des Hauses.

Sorgen vor dem Herbst

1953 gab es in Stuttgart 36 Lichtspielhäuser, die mehr als neun Millionen Karten verkauften; der Stuttgarter ging also 16-mal im Jahr ins Kino. Goldene Zeiten. Längst passé. Und im Herbst drohen Corona, wieder Einschränkungen, und explodierende Kosten. Die man schwer weitergeben könne, sagt Fritz. Unter der Woche kostet das Ticket durchschnittlich 8 Euro, am Wochenende 10 Euro. Mehr zu verlangen, scheint kaum möglich. Doch Bange machen gilt nicht, „wir werden uns wie immer etwas einfallen lassen“, sagt Fritz. Das Kino ist zäh. Und in Stuttgart ja schon seit fast 130 Jahren zu Hause.