Ende Juni ist Schluss mit dem Abstandhalten im Unterricht der Grundschulen. Foto: dpa/Marcel Kusch

Kinder bis zehn Jahren sind laut einer Studie baden-württembergischer Wissenschaftler von Corona weniger bedroht als Erwachsene. Grund genug für die Landesregierung, Kitas und Grundschulen bald zu öffnen.

Stuttgart - Vom 29. Juni an können Kinder in Baden-Württemberg wieder täglich ihre Grundschule oder die Kindertagesstätte besuchen und müssen dabei keine Abstandsregeln einhalten. Schulpflicht wird für die Erst- bis Viertklässler allerdings bis zu den Sommerferien nicht gelten. Dies hat die Landesregierung bei der Kabinettssitzung am Dienstag beschlossen und die landesweit rund 9000 betroffenen Träger unmittelbar im Anschluss daran informiert.

Grundlage der Entscheidung ist die am Dienstag präsentierte Kinderstudie der vier Universitätskliniken im Land. Ihr Hauptergebnis ist, dass Kinder – anders als bei Grippe und anderen Infektionskrankheiten – bei Corona kein Treiber der Ansteckung sind.

Für 750 000 Kinder kann Schule und Kita wieder normaler werden

Deshalb können die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Null- bis Zehnjährige am 29. Juni zum „Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen“ zurückkehren, wie die Fachleute das nennen. Für die Eltern von 380 000 Grundschülern und 370 000 Kindern in Tagesstätten ist das ein Grund zum Aufatmen – auch wenn an den Schulen und Tagesstätten aufgrund der risikobedingten Personalknappheit nicht das volle Bildungs- und Betreuungsangebot gewährleistet ist.

An den Grundschulen rechnet Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) im Schnitt mit einem täglichen Unterrichtsangebot von rund vier Zeitstunden. Sie könne allerdings nicht ausschließen, dass es in Einzelfällen auch schlankere Stundenpläne gebe, fügte sie hinzu. Schwerpunkte des Unterrichts sollen Deutsch, Mathematik und Sachkunde sein. Unterrichtet wird mit gestaffeltem Beginn und in stabilen Gruppen.

Bei den Kindertagesstätten – wo laut Angaben der Träger rund vierzig Prozent der Erzieherinnen einer Risikogruppe angehören – ermöglicht das Land ab jetzt und für das ganze Kindergartenjahr 2020/2021 den Mindestpersonalschlüssel um 20 Prozent zu senken und größere Betreuungsgruppen zu bilden. Darüber hinausgehende Verschlechterungen der Betreuungsrelation sollen möglich sein, wenn der Personalausfall kompensiert wird – zum Beispiel von Absolventen eines freiwilligen sozialen Jahrs, Studenten im Blockpraktikum, Auszubildenden und Fachkräften aus dem Bundesförderprogramm zugunsten von Sprach-Kitas.

„Dass Abstriche gemacht werden müssen, ist logisch“

Sowohl Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als auch Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) warben um Verständnis für die Einschränkungen. Kretschmann bezeichnete es als „logisch, dass Abstriche gemacht werden müssen“, wenn nicht das volle Personal zur Verfügung stehe. Eisenmann betonte, dass das Land den Trägern maximale Flexibilität eingeräumt habe, „sodass sie den Familien im Land trotz angespannter Personaldecke eine verlässliche Betreuung bieten können“. Eisenmann sprach von einem schwierigen Abwägungsprozess, bei dem der Gesundheitsschutz weiterhin Vorrang haben müsse.

Baden-Württemberg sei bei der Öffnung von Grundschulen und Kindertagesstätten „weder besonders langsam, noch besonders schnell“. Erster ist das Land in diesem Bereich aber nicht, sodass Eisenmann auf positive Erfahrungsberichte aus Sachsen verweist.

Eltern können frei entscheiden

Um das Infektionsrisiko in Grenzen zu halten, wird das Land, wie die Ministerin ankündigte, erweiterte Coronatest-Angebote für Lehrer und Erzieher schaffen. Eltern sollen frei entscheiden und formlos mitteilen, ob sie ihre Kinder in die Schule oder zur Kita schicken wollen, oder ob ihnen das Risiko zu groß ist. Eine Ausnahme gibt es: Nur gesunde Kinder dürfen in die Schule und zur Tagesstätte – und wer die Kinder in die Schule oder zur Kita bringt, dürfe ebenfalls nicht krank sein.