Der Schatten der Bäume erreicht die Spielgeräte in der Kronprinzstraße nicht. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der heiße Sommer weckt das Bedürfnis nach Schatten in der Innenstadt, insbesondere bei Eltern mit kleinen Kindern. Doch die Spielplätze liegen in etlichen Fällen in der prallen Sonne.

Eine lange Siesta gönnen sich allenfalls Erwachsene ohne Kinder. Wer aber den ausgeschlafenen vitalen Nachwuchs beaufsichtigt, ist froh, wenn die Nachmittagsruhe vorbei ist und die Kinder draußen spielen können. Allerdings zwingt die derzeitige Hitzeperiode Eltern ins Haus.

„Zwischen 10 und 16 Uhr brauche ich keine meiner befreundeten Mütter zu fragen, die gehen in der Zeit nicht auf den Spielplatz, wenn der in der prallen Sonne liegt“, sagt eine 34 Jahre alte Mutter. Sie ist Mutter eines Sohnes, der jetzt ein Jahr und acht Monate alt ist. Zu ihrem Leidwesen sind die Metallrutschbahnen am frühen Nachmittag „kochend heiß, der Sand ebenso“. Davon abgesehen brenne die Sonne unbarmherzig auf Kinder und Eltern herab, was sie zwinge, länger als gewünscht in ihrer 3-Zimmer-Wohnung auszuharren.

Angebot nicht ausreichend

Das betreffe die Spielplätze in der Nähe ihrer Wohnung im nördlichen Bad Cannstatt, die Spielplätze in der Innenstadt, aber auch Plätze wie den im Killesbergpark. „Der liegt mindestens zur Hälfte in der Sonne.“ Es müssen viel mehr Bäume gepflanzt werden, fordert die Mutter.

Stuttgart hat rund 500 öffentliche Spiel- und Bolzplätze, die vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt instand gehalten, überwacht und gereinigt werden. Allerdings entspricht das Angebot vor allem in den dicht bebauten Innenstadtbezirken und in Bad Cannstatt nicht dem im bisherigen Spielflächenleitplan definierten Versorgungsgrad. Auch die Ausstattung der Plätze ist verbesserungswürdig: In der Kinderbefragung des Vorhabens Kinderfreundliche Kommunen erhielten Spiel- und Bolzplätze mit der Note 2,4 eine eher mäßige Bewertung.

Die derzeitige Situation kollidiert zudem mit den Leitzielen des Aktionsplans Kinderfreundliche Kommune. Der Verein Kinderfreundliches Stuttgart hat deshalb der Stadt empfohlen, den Spielflächenleitplan – der jüngste stammt aus den Jahren 2011/12 – vor allem unter Berücksichtigung qualitativer Kriterien anzugehen. Themen wie die Erreichbarkeit, Sicherheit und Sauberkeit oder die Angebotsvielfalt müssten in den Blick genommen werden.

Bis jetzt ist Schatten nur ein Planungsziel

Im Doppelhaushaushalt 2020/21 hat der Gemeinderat Mittel für die Fortschreibung des Spielflächenleitplans 2021/22 bewilligt. Auf Anfrage teilt das Amt für Stadtplanung und Wohnen mit, dass die Fortschreibung voraussichtlich im 2. Quartal 2023 fertiggestellt sei. Der Spielflächenleitplan werde entsprechend den Empfehlungen des Aktionsplans um die Zielgruppen der Jugendlichen sowie der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung erweitert. Der Masterplan für urbane Bewegungsräume und der Masterplan Räume für Jugendliche steht, und das Stadtplanungsamt versichert: „Das Thema Beschattung spielt eine wichtige Rolle und wird als Planungsziel thematisiert werden.“

Doch die Verwaltungsabläufe sind, wie sie sind: Ist der Spielflächenleitplan im 2. Quartal fertig, muss er vom Gemeinderat noch beschlossen werden, bevor er in die Umsetzung geht. Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin für Mitte: „Um die Spielflächen muss sich die Stadt eigentlich permanent kümmern. Wir mussten schon viel zu lange auf einen neuen Leitplan für Spielflächen warten. Ich setze da große Hoffnungen auf die neue Amtsleiterin im Garten-, Friedhofs- und Forstamt“, so Kienzle.

Abhilfe mit Sonnensegel

Vorschläge hat sie bereits im Köcher. „Sonnensegel könnte man beispielsweise über den Spielplatz in der Kronprinz-/Büchsenstraße spannen.“ Auch für den sonnigen Platz am Killesberg fordert sie ein Sonnensegel und eine zügige Umsetzung. Im Arbeitskreis Spielflächen ist die Beschattung ebenfalls ein Thema gewesen, Bedarf habe man zudem auf der Geroksruhe identifiziert.

Dass die Innenstadt „hoffnungslos unterversorgt“ ist mit Spielflächen, moniert die Bezirksvorsteherin seit Jahren. Aber jetzt seien „die, die wir noch haben, akut bedroht“, sagt sie mit Verweis auf das Züblin-Areal. Dort haben die Planer die Sanierung des Bestandsgebäudes vorgeschlagen und empfohlen, die Spielfläche auf dem Dach des Gebäudes einzurichten. „Kinder oder Jugendliche können sich dann nicht mehr spontan zum Spielen und Bolzen treffen und Gemeinschaft üben, denn dann müsste ein Hausmeister den Zugang regeln.“ Deshalb fordert sie, der bestehende Platz müsse unbedingt erhalten bleiben – in seiner Größe und in ebenerdiger Lage. An anderer Stelle haben Beschwerden dazu geführt, dass der Schlüssel nicht mehr herausgegeben wird: auf dem Spielplatz im Innenhof des Verkehrsministeriums, im Volksmund „Kinderknast“ genannt (weil die Spielfläche eingezäunt ist). Kienzle schlägt andere Nutzungsformen vor: Stünde im sogenannten Kinderknast an der Hauptstätter Straße beispielsweise ein Kletterturm, könnte der Albverein an einigen Nachmittagen dort Kletterkurse geben. Und man könne wesentlich mehr Spielflächen schaffen, würde man Parkflächen umnutzen, zum Beispiel hinterm Haus der Wirtschaft oder am Rand des Stadtgartens. Ihr Fazit: „Wir brauchen eine andere Grundhaltung, eine klare Ansage, dass unsere Stadt nicht bloß ein großes Partyzelt ist, sondern dass hier Kinder sichtbar im öffentlichen Raum leben und aufwachsen können.“

Leitziele des Aktionsplans Kinderfreundliche Kommune

Spielräume
Kinder sollen in Stuttgart ausreichenden und geeigneten Raum

Naturräume
Kinder in Stuttgart sollen möglichst viel Zeit in der Natur verbringen

Spielflächen
In der Innenstadt gibt es in der Pfarrstraße, am Eugensplatz, im Gerberviertel, in der Kronprinzstraße, am Mozartplatz, in der Werastraße, der Gymnasiumstraße und im Mittleren Schlossgarten ausgewiesene Spielflächen. Ihr Anteil liegt bei rund 28 Prozent, das 2020 formulierte Ziel der Stadt sind 50 Prozent.