Kim-Double Howard X mit einer aufblasbaren Rakete. Er macht sich besonders gern über den Raketen-Fetischismus des nordkoreanischen Diktators lustig. Foto: imago/Geovien So

Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un ist weltweit unbeliebt, Nachahmer hat er aber trotzdem – oder gerade deshalb. Ein Gespräch mit Double Howard X.

Pjöngjang - Was für Zeiten! In einem Monat hat Nordkorea sieben Raketentests gemacht. Die Geschosse, die im Januar gen Himmel jagten, wurden immer schwerer, die Reichweite wurde größer, das Drohpotenzial gewaltiger. Kim Jong-un, der Mann hinter diesen Kraftgebärden aus Pjöngjang, musste gar nicht erst vor die Kameras treten, um ein paar Botschaften verstanden zu wissen: Diese Raketen können jeden Winkel der Welt erreichen, Nordkorea soll man lieber fürchten. Und mit Kim Jong-un ist nicht zu spaßen.

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Wobei nicht jeder den Ernst der Lage begreifen will. „Solche Aktionen sind eigentlich großartig“, sagt Howard X an einem Abend per Videogespräch und muss grinsen. Auf eine Weise ist er der größte Fan des Diktators von Nordkorea. „Ich beobachte ihn genau. In letzter Zeit hat er wieder abgenommen. Jetzt muss ich mich auch wieder auf andere Maße einstellen.“ Im vergangenen Jahr schien Kim noch rund 15 Kilo zugenommen zu haben, Howard X war mitgezogen. Nun müssen die Kilos wieder runter.

Howard X will seinen bürgerlichen Namen nicht nennen

Howard X ist in Hongkong geboren. 1990 zog er nach Australien, kehrte aber im Jahr 2000 nach Hongkong zurück. Er ist der weltweit bekannteste Doppelgänger von Kim Jong-un. Sein Geld verdient er mit dem Ruhm jenes Mannes, der als die Personifizierung von Menschenrechtsverletzungen gilt. Neben der Abwesenheit von Presse- und Meinungsfreiheit kommen aus dem von Kim regierten Nordkorea immer wieder Berichte über Willkürstrafen, Arbeitslager und öffentliche Exekutionen. Ist das witzig?

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Howard X, der seinen bürgerlichen Namen nicht nennen will, verneint die Frage zuerst, muss dann aber relativieren. „Wie soll man damit umgehen, wenn nicht dadurch, dass man es ins Lächerliche zieht?“ Anfang Februar ließ Kim einen 110-minütigen PR-Film veröffentlichen, der auf ein vermeintlich erfolgreiches Jahr 2021 zurückblickt. Die Bilder zeigen vor allem ihn selbst. Mal reitet Kim auf einem Pferd dem Sonnenuntergang entgegen, mal sitzt er an Konferenztischen und hält Ansprachen, während gehorsame Staatsdiener fleißig mitschreiben. Auch grüne Felder, die durch Drohnen bewirtschaftet werden, sind zu sehen. Früher oder später: Raketen.

Das Propagandamaterial ist so grotesk wie eine Satire

Das Propagandamaterial ist so grotesk, dass man denken könnte, keine Satire könnte ihm gleichkommen. „Es kann aber auch sein, dass sie in Nordkorea meine Filme schon kennen und sie jetzt als Vorbild nehmen“, sagt Howard X. Der wurde nämlich vor gut vier Jahren zu einer weltweiten Bekanntheit, als er auf Youtube ein Lied mit Videoclip hochgeladen hatte. „Lollybomb“, das bis jetzt an die 150 Millionen Mal angesehen wurde, begleitet den Kim-Verschnitt durch sein politisches Alltagsleben, das sich vor allem um eine kindlich-erotische Liebe des Diktatoren zu Raketen dreht.

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Knapp fünf Jahre zuvor hatte Howard X, der ungefähr so alt ist wie Kim und auch ungefähr so groß, mit dem Doubeln angefangen. „Ich saß mit meiner Freundin vorm Fernseher, Kim Jong-il war gerade gestorben, sein Sohn Kim Jong-un kam an die Macht. Als sein Gesicht gezeigt wurde, bin ich ausgerastet: Der sah aus wie ich! Meine Freundin musste lachen, weil sie mir zustimmen musste.“ Der Musikproduzent verkleidete sich als nordkoreanischer Diktator und legte sich ein Profil für soziale Medien an. Auf die ersten Anfragen musste Howard X nicht lange warten.

Howard X traf sich mit Trump-Imitator Dennis Alan

„An einem Flughafen in Israel machte ich Werbung für Hamburger. In Deutschland lud man mich in Quizshows ein.“ Was an Howard X gut ankam, war nicht nur seine äußerliche Ähnlichkeit mit Kim. „Ich gebe immer den vorlauten, ungehobelten Typen, der allen um sich herum Drohungen macht.“ Den typischen Kim-Gang, bei dem die Arme mit jedem Schritt vom runden Bauch nach außen geschoben werden, gewöhnte sich das Double allmählich an.

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Auf zwei Gipfeln traf Kim Jong-un mit US-Präsident Donald Trump zusammen. „Mir war klar, dass ich dahin musste“, erinnert sich die Kim-Kopie. Schon für die Olympischen Spiele in Pyeongchang hatte Howard X Kontakt zum Trump-Doppelgänger Dennis Alan aufgenommen, zog mit ihm durch die Olympia-Anlage. Ein Coup gelang bei einem Spiel der gesamtkoreanischen Eishockeymannschaft, die von einem Cheerleaderteam angefeuert wurde. Mit der Aufmerksamkeit mehrerer Kameras drängelte sich der Fake-Kim zu den jungen Frauen. „Einige mussten lachen, als sie mich sahen, wie ich ihren offiziell vergötterten Staatschef verarschte. Das war genial!“

Der Doppelgänger hat 90 Prozent weniger Einkommen

Das politische Ableben von Donald Trump hat auch Kim Jong-un geschadet, da dessen Drohgebärden jetzt weniger Aufmerksamkeit finden. So bleibt auch für Howard X weniger Rampenlicht übrig. „Mein Einkommen ist in letzter Zeit um 90 Prozent eingebrochen.“ Ein wichtiger Grund sei die Pandemie, weil seitdem kaum noch Präsenzveranstaltungen stattfinden und das Reisen schwieriger geworden ist.

Und was wäre, wenn Kim Jong-un irgendwann nicht mehr Nordkorea regiert? „Mir wäre es ehrlich gesagt lieber“, behauptet der Mann, der Kim sein Geschäft verdankt. „Ich würde mir wünschen, es gäbe keine Diktatoren mehr, über die man sich lustig machen müsste.“