Unter dem Schlagwort „Black Lives Matter“ protestieren derzeit Menschen weltweit gegen Rassismus. Foto: AFP/Sean Rayford

Carolin Kebekus hat am Donnerstag einen eigenen „Brennpunkt“ zum Thema Rassismus gesendet. 17 deutsche Prominente erzählen darin, wie oft sie schon wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert oder angefeindet wurden.

Stuttgart - Eigentlich bringt Carolin Kebekus donnerstagabends mit ihrer Show das Publikum zum Lachen. Doch ihr aktuellster Auftritt am 4. Juni hat wohl eher Trauer, Wut, Scham und Bestürzung bei den Zuschauern ausgelöst. Angesichts der momentanen Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt hat die Comedian ihr Programm verworfen und stattdessen einen „Brennpunkt“ zu genau diesem Thema gesendet.

Immer wieder werden im Ersten Deutschen Fernsehen Brennpunkte zu tagesaktuellen Themen von besonders hoher Relevanz gezeigt. Während der Corona-Krise wurde über mehrere Wochen täglich im Anschluss an die Tagesschau über die aktuellen Entwicklungen berichtet. Doch zu den Protesten um George Floyd, der am 25. Mai infolge eines brutalen Polizeieinsatzes gestorben war, gab es bislang keinen Brennpunkt.

Rassismus ist auch ein deutsches Problem

Darum hat es sich Carolin Kebekus zur Aufgabe gemacht, einen Brennpunkt zu senden. „Mein Anliegen mit dem Themenstück in der gestrigen Sendung ist und war, dass auch hier bei uns über Rassismus diskutiert wird, denn Rassismus ist nicht nur ein amerikanisches Problem“, teilte Kebekus dazu am Freitag der Deutschen Presse-Agentur mit. „Rassismus tötet auch in Deutschland.“

Die Moderatorin Shary Reeves führte durch den „Brennpunkt“ im „ersten deutschen weißen Fernsehen“. „Menschen mit heller Haut können nicht nachempfinden, was Menschen mit dunkler Haut fast täglich an Benachteiligungen widerfährt“, erklärte die gebürtige Kölnerin mit Wurzeln in Kenia und Tansania.

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17 dunkelhäutige Deutsche erzählen in der Sendung ihre Geschichte. Sie alle, ob Schauspieler, Musiker, Fußballspieler oder Journalisten, haben bereits viele Male im alltäglichen Leben Rassismus erfahren müssen.

Rassismus geschieht alltäglich

Es sind absurde Szenen, die die Betroffenen im Video schildern. Autorin Jasmina Kuhnke erzählt, sie habe einmal im Krankenhaus um ihr Leben gekämpft: „Die diensthabende Schwester weigerte sich, mir zu helfen. Sie weigerte sich mit den Worten, dass sie schwarze Menschen nicht so gerne anfasst.“

Schauspielerin Thelma Buabeng berichtet, wie sie wegen Schmerzen eine anthroposophische Frauenärztin aufgesucht habe. Die erklärte ihr, sie brauche gar nicht weiterreden, das sei ganz typisch: „Sie tragen den Schmerz der afrikanischen Frau in Ihrem Becken. Sklaverei, Kolonialismus, Vergewaltigung.“ Sie solle einfach zu Hause Trommelmusik anmachen und den Schmerz rausschütteln.

Dennis Lisk („Denyo“) erzählt, er sei schon häufiger angefeindet worden, weil er eine blonde Tochter hat. Rassismus werde in Deutschland verdrängt, so der Musiker: „Ich möchte, dass wir anfangen können, darüber zu reden.“

Sehen Sie hier den „Brennpunkt“ von Carolin Kebekus:

Gewalt gegen Dunkelhäutige hat in Deutschland eine lange Geschichte

Ob Belästigung, Drohung, Beleidigung oder Körperverletzung – das Video zeige nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was alltäglich geschieht. „Wir haben ein Rassismus-Problem, und das nicht erst seit gestern“, betont der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby. Eine persönliche Erfahrung, bei der ihm seine Brille zerstört wurde, bezeichnet er als „im Vergleich noch harmlos“.

Auch in Deutschland gebe es zahlreiche, bis heute ungeklärte Fälle, bei denen Dunkelhäutige zu Tode gekommen sind. Als Beispiel nennt Diaby den Asylbewerber Oury Jalloh aus Sierra-Leone, der im Jahr 2005 im Polizeirevier Dessau verbrannt ist – bis heute sind die genauen Todesumstände nicht bekannt.

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Lob für Kebekus, Kritik am Sender

Die Reaktionen in den sozialen Medien sind überwältigend. Allein auf Twitter wurde das Video bereits 5 000 Mal geteilt. Zahlreiche Politiker, Journalisten, Künstler und andere loben Carolin Kebekus für ihren Beitrag. Aber es ist auch Kritik zu hören, gerichtet an jene, von denen sich viele einen solchen Brennpunkt gewünscht oder erwartet hätten: Das Erste Deutsche Fernsehen.

Eine Twitter-Nutzerin schreibt zu dem Rassismus-Schwerpunkt bei Carolin Kebekus zum Beispiel: Aus den USA kenne man das ja schon länger, aber auch in Deutschland gebe es immer öfter Comedians, Satirikerinnen und Late-Night-Talker, die die Arbeit der etablierten Medien übernähmen. Das sei lobenswert, aber sie bevorzuge es, „wenn das nicht nötig wäre.“

Der Sender äußert sich zu den Vorwürfen zurückhaltend: „Frau Kebekus darf als Kabarettistin vieles zugespitzt behaupten. Wir haben dies aber nicht als Vorwurf empfunden. Wir berichten und hinterfragen das Thema Rassismus in verschiedenen Formaten (u. a. ‚Maischberger – Die Woche’, ‚Bericht aus Berlin’, ‚Anne Will’). Ob es am Abend einen ‚Brennpunkt’ gibt, wird jeweils tagesaktuell entschieden“, so Dr. Bernhard Möllmann, Pressesprecher des Ersten Deutschen Fernsehens.

Keine leichte Kost – aber weiße Zuschauer haben einen klaren Vorteil

Genau 8 Minuten und 46 Sekunden dauern die beispielhaften Schilderungen der 17 Betroffenen – so lange wie der Polizist in Minneapolis auf George Floyd gekniet hatte. Eine bedrückende Sendung für Zuschauer, die eigentlich fröhlich-bissige Unterhaltung in der „Carolin Kebekus Show“ gewohnt sind.

Aber das weiße Publikum behält einen entscheidenden Vorteil: „Zum Glück können Sie den Beitrag abschalten“, bemerkt Shary Reeves am Ende. „Für Menschen wie mich ist das allerdings Alltag, da ist nichts mit Abschalten.“