Trotz des Sparkurses will Stadtdekan Christian Hermes nicht die Flinte ins Korn werfen.Christian Hermes will zeitgemäße Angebote machen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth/Achim Zweygarth

Stadtdekan Christian Hermes schwört seine Gemeinde auf einen harten Sparkurs ein, gibt aber gleichzeitig eine neue Richtung vor, mit der er die jungen Menschen zurückgewinnen will. Sein Credo: „Gönnt euch Innovation.“

Stuttgart - Stadtdekan Christian Hermes hat die Stuttgarter Katholiken auf einen neuen Kurs eingeschworen. Die Richtung lautet: Sparen, aber innovativ sein. Gleichzeitig hat der Stadtdekanatsrat in einer hybriden Sitzung mit Online-Teilnehmern und Ratsmitgliedern im Haus der Katholischen Kirche den kirchlichen Haushalt für 2021 mit einem Volumen von 70,7 Millionen Euro verabschiedet. Die Corona-Pandemie habe massive Auswirkungen auf die ökonomische Situation und die Handlungsmöglichkeiten der Kirche. Noch habe der Haushalt für 2021 annähernd dieselbe Dimension wie 2019, doch nun drohten Einbußen. Hermes rechnet damit, dass die „hohen Austrittszahlen“ zunehmen werden. Als Gründe nannte er „auch die jüngsten Skandale von dubiosen vatikanischen Vorgängen bis hin zu Skandalen in der deutschen Kirche“.

Der Stuttgarter Sprengel hat 2019 über 2800 Mitglieder verloren. Zwei Drittel dieser Gruppe ist in einem Alter zwischen 22 und 37 Jahren, wobei die 28-Jährigen den absoluten Spitzenwert darstellen. Als Auslöser für die Austritte nennt Hermes auch die Kirchensteuerpflicht, die mit der Berufstätigkeit beginnt. Allerdings ist auch ihm klar, dass die jungen Leute das „institutionelle Gebaren“ der Kirche nicht akzeptieren. Zudem finde diese Altersgruppe „wenig inhaltliche oder praktische Relevanz“ bei den Kirchen, so Hermes.

Neue Profilstelle für junge Menschen

Die Flinte will der Stadtdekan angesichts des Aderlasses und der trüben finanziellen Zukunft nicht ins Korn werfen. Im Gegenteil: Christian Hermes investiert in eine neue Profilstelle für die Pastoral junger Erwachsener. „Aber wir müssen alle auch in den Gemeinden und Einrichtungen diese Altersgruppe viel mehr in den Blick nehmen“, sagte er in seiner Haushaltsrede, die er mit der Überschrift „Kirche auf Bewährung“ versehen hatte. Sein Credo in dieser Neuausrichtung lautet: „Gönnt euch Innovation.“ Denn auch wenn die großen Entwicklungen in der Gesellschaft nicht aufzuhalten seien, so Hermes, „ist dies kein Grund, nicht alles zu tun, was uns möglich ist.“ Dies bedeute, zeitgemäße und den Bedürfnissen der Menschen entsprechende Angebote zu machen und gleichzeitig bei diesem Handeln Standards in Sachen Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit einzuhalten. Zu der Bewährungsprobe gehöre es auch, sich auf finanzielle Einschnitte vorzubereiten.

Abspecken bei Liegenschaften

„Unsere investiven Spielräume gehen zurück, deshalb werden wir in den kommenden Jahren schwierige Diskussionen zu führen haben“, sagte der Stadtdekan und kündigte an, die Liegenschaften der Kirche stärker unter die Lupe zu nehmen. Konkret machte diese Absicht die Verwaltungschefin des Dekanats, Regina Neuhöfer. Sie wies darauf hin, dass viele Gebäude sanierungsbedürftig seien, aber eine Vielzahl dieser Baumaßnahmen nicht vom Stadtdekanat finanziert werden können. „Wir müssen unseren Bestand an Liegenschaften kritisch hinterfragen und wo es möglich ist, auch reduzieren, um unsere Bedarfe mit den finanziellen Möglichkeiten in Einklang zu bringen“, sagte Neuhöfer. Christian Hermes ergänzte: „Wesentlichkeit und Wirksamkeit werden die entscheidenden Kriterien für die Mittelverwendung in Zukunft sein müssen.“ Auch dies sei ein Teil der Bewährungsprobe der Kirche in dieser Zeit, in der nur eines sicher sei: „Schwierige Diskussionen in den kommenden Jahren.“

Personalkosten machen den größten Anteil aus

Finanzen Der kirchliche Verwaltungshaushalt 2021 hat ein Volumen von 61 Millionen Euro (im Vergleich zu 62,7 Millionen Euro 2020), der Vermögenshaushalt liegt 2021 bei 9,7 Millionen Euro (im Vergleich zu 9,2 Millionen im Jahr 2020). Das Minus von 1,7 Millionen Euro im Volumen des Verwaltungshaushalts ist unter anderem auf eine Reduzierung der Kirchensteuerzuweisungen durch die Diözese zurückzuführen.

Ausgaben Die Personalkosten für die 1500 bei der katholischen Kirche in Stuttgart Beschäftigten sowie die 250 Honorarkräfte machen mit etwa 57 Prozent den größten Anteil bei den Ausgaben im Verwaltungshaushalt des Stadtdekanats aus.

Einnahmen Der Verwaltungshaushalt speist sich vor allem aus den Zuschüssen von Stadt, Land und Bund in Höhe von 29,8 Millionen Euro (im Vorjahr 23,1 Millionen) für die 65 katholischen Kindertagesstätten in Stuttgart mit insgesamt 185 Gruppen.